Diesen Freitag gab es keinen Familiengolfstaffellauf, weil meine Ma mit ihrer Seniorinnengruppe Freundinnenturnier mit anschließendem Essen hatte und ich deswegen das Auto nicht haben konnte. Stattdessen bin ich dann Samstag, zu meiner Überraschung mit meiner Ma (die es normalerweise hasst, an mehreren aufeinander folgenden Tagen zu spielen) zum Golfplatz gefahren.

Und wieder einmal durfte ich feststellen, dass man sich beim Golf auf nix verlassen kann. Mein kurzes Spiel, das normalerweise ja ganz ordentlich funktioniert, war schon beim Einschlagen katastrophal. Ungefähr so gefühlvoll muss es aussehen, wenn ein Oger Golf spielt. Echt, ich habe da Bälle übers Pitchinggrün gekloppt, das war nicht mehr schön. Und wurde auf dem Platz auch nicht wirklich besser. Das einzige, was ich zu meiner Verteidigung anführen kann, ist, dass es schon wieder ziemlich warm und trocken war die ganze Woche und Grüns und Fairways darum superhart. Um da einen Ball kontrolliert zum Stoppen zu kriegen, braucht es deutlich mehr Backspin als ich den so auf den Ball kriege. Putten war auch nicht viel besser. Geradezu flutschig, diese Grüns.

Auf lange Schläge verzichtete ich beim Einschlagen diesmal völlig, weil meine Ma drängelte und los wollte. Das rächte sich dann gleich beim ersten Abschlag. Der war zwar schön lang und landete auch brav auf dem Fairway, aber ich habe mir dabei irgendwas im Rücken verdreht. Sehr schmerzhaft und unangenehm das. Die vernünftige Entscheidung wäre wahrscheinlich gewesen, an dieser Stelle abzubrechen und wieder nach Hause zu fahren. Aber Golfer sind keine vernünftigen Menschen. Kann man ja auch nicht erwarten. Golf ist schließlich auch keine vernünftige Sportart. Viel zu kleiner Ball, völlig ungeeignete Werkzeuge, viel zu lange Fairways, viel zu kleine Löcher …

Also, ich habe natürlich weitergespielt. Ging auch ganz gut. Tat zwar weh, hat aber die Qualität meiner Golfschläge nicht unbedingt negativ beeinflusst, soweit ich das beurteilen kann. Zumindest klappten die langen Schläge ganz brauchbar und das kurze Spiel war ja, wie gesagt, schon vorher nicht das Gelbe vom Ei. Einen Blumentopf hätte ich mit meiner Leistung so aber natürlich auch wieder nicht gewonnen. Es muss doch irgendwann mal der Tag kommen, wo sowohl das lange wie auch das kurze Spiel klappt.

Die meisten Abschläge waren ganz schön und dank der trockenen Fairways geradezu unglaublich weit, weil man immer noch 30 bis 40 m Roll dazu geschenkt bekam. Mit Ausnahme von den Abschlägen an der 5 und an der 10. Da habe ich jeweils einen sogenannten „Shank“ gespielt, also den Ball statt mit der Schlagfläche mehr so seitlich mit der Ferse getroffen (also, der des Schläger natürlich … nicht meiner). Das führt dazu, dass der Ball dann, statt geradeaus zu fliegen, irgendwie hochspringt und dann scharf links abbiegt. Damit habe ich es geschafft, an der 5 ins Wasserhindernis zu schlagen. Das ist eine Leistung, denn dieser Teich ist da eigentlich gar nicht wirklich im Spiel, schonmal gar nicht von den vorderen Abschlägen. Jedenfalls versenkte ich auf diese Weise einen meiner hübschen Pink Ribbon Bälle, die ich doch letzte Woche Freitag von dem charmanten jungen Ballverkäufer geschenkt bekommen hatte. An der 10 war es ähnlich, nur, dass mein Ball da dankbarerweise noch ein paar Zentimeter vor dem Wasserhindernis liegen blieb und ich ihn dann mit einem beherzten Eisen 6 im zweiten Schlag darüber spielen konnte.

Sonntag war ich dann, diesmal mit beiden Elternteilen, wieder auf dem Platz und hatte so ein merkwürdiges deja vu. Es war echt, als hätte ich exakt die gleiche Runde nochmal gespielt. Kurzes Spiel wieder Scheiße, Abschläge wieder ziemlich gut. Bis auf … ja, bis auf die 5 und die 10. Ich wünschte echt, ich hätte diese Schläge beide Male auf Video aufgezeichnet. Das war fast schon unheimlich, wie genau die sich wiederholten. Mein Vater, der ja immer eine Ballangel im Gepäck hat, ging an der 5 los, um meinen Ball aus dem Wasser zu fischen, was ihm auch selbstbewusst in Sekundenschnelle gelang. Aber der Ball, den er da herausholte war nicht der vom Sonntag. Es war der Pink Ribbon vom Tag davor. Das als Zeichen dafür, wie dicht diese beiden Fehlschläge beieinander gelandet sein müssen. Ernsthaft, so eine Wiederholbarkeit ist auch eine Kunst, schlag mal zwei total gleiche Shanks! An der 10 war es ähnlich, nur dass es mein Abschlag diesmal wirklich bis ins Wasserhindernis geschafft hat (aber natürlich auch wieder von meinem Dad aus dem nassen Grab gerettet wurde).

Auch an der 8, wo ich rechts in die Bäume geschlagen hab, konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren: „Habe ich hier nicht gestern unter genau dem gleichen überhängenden Ast durchgeschlagen?“

Ist schon verrückt, wie man beim Golf einerseits das Gefühl hat, sich auf absolut nichts verlassen zu können, weil alles, was in den Wochen vorher geklappt hat, von jetzt auf gleich weg ist, und wie man andererseits zwei Tage hintereinander so völlig ähnliche Schläge machen kann. Und ich habe, zumindest beim Abschlag an der 10, jetzt wirklich nicht bewusst an den Tag vorher gedacht. Dass ich da einen Fehlschlag gehabt hatte, fiel mir erst wieder ein, nachdem ich meinen Ball ins Schilf gebolzt hatte.

Meinen Rücken muss ich übrigens irgendwann auf der Runde am Sonntag wieder in die Ausgangsstellung zurück gedreht haben. Am Anfang tat es noch weh, später dann nicht mehr. Allerdings habe ich seit Samstag nach der Runde Migräne, was auch nicht wirklich toll ist, und was ich auf einen durch die eingenommene Schonhaltung völlig verspannten Nacken zurückführe.

Ich versuche ja im Allgemeinen, meinen Feminismus ein bisschen im Zaum zu halten und rege mich nur selten öffentlich über die Absurditäten einer immer noch schwer männerdominierten Welt auf, aber manchmal kann ich dann doch nicht an mich halten.

In Amerika ist jetzt ein Medikament zugelassen worden, dass als „Viagra für die Frau“ bezeichnet wird, eine Pille, die das weibliche Lustempfinden steigern soll, vorzugsweise bei Frauen, die vor Einsetzen der Wechseljahre an sexueller Unlust „leiden“. Etwa jede dritte Frau sei von dem Problem betroffen, behaupten Mediziner. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass diese Mediziner vorzugsweise männlich sind. Denn um eines mal ganz klar zu stellen: wenn ich keine Lust auf Sex habe und in der Folge dann auch kein Sex, dann macht mich das generell überhaupt nicht betroffen. Es ist auch kein Problem. Es entgeht mir nämlich nichts, wenn ich in der Zeit dann stattdessen ein gutes Buch lese, bei einem leckeren Bierchen entspanne oder es mir sonstwie gut gehen lasse. Leiden tut hier allenfalls ein eventuell vorhandener Partner, der dann in die Röhre schaut. In diesem Falle empfehle ich das Hinzuziehen geeigneter bebilderter Druckerzeugnisse oder entsprechenden Filmmaterials kombiniert mit dem Einsatz der eigenen Hände. Der beste Sex findet eh im Kopf statt.

Die bloße Behauptung, dass mit einem Drittel aller Frauen etwas nicht stimmt, nur weil sie keine Lust haben, mit ihren wahrscheinlich auch schon etwas abgenutzten und in die Jahre gekommenen Partnern weiterhin regelmäßig in die Kiste zu steigen ist, kurz gesagt, eine Unverschämtheit. Dagegen eine Pille zu nehmen ist genauso sinnvoll, wie sich den Kerl schönzusaufen. Vielleicht sollte er eher in eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio investieren. Aber bitte ohne Anabolika, denn sonst kann er nachher nicht mehr, falls sie dann doch wieder Lust auf seinen jetzt muskelgestählten Körper kriegt.

Der grundsätzliche Unterschied zu Viagra ist doch der: der typische Viagra-Nutzer will unbedingt Sex, kriegt aber keinen hoch. Die anvisierte Zielgruppe der neuen Sexpille will aber gar keinen Sex … wer keine Lust hat, hat eben keine Lust. So einfach ist das. Der Bedarf ensteht hier allenfalls durch Druck durch den sexuell frustrierten Partner oder durch das von den Medien vermittelte Bild, dass Frauen eigentlich alle Nymphomaninnen sind, die sich nichts Schöneres vorstellen können als den Austausch von Körperflüssigkeiten.

Ich will hier gar nicht erst von Nebenwirkungen, Eingriff in den Hormonhaushalt etc. anfangen. Nicht das konkrete Medikament ist das Problem, sondern die Tatsache, dass hier überhaupt ein Behandlungsbedarf für etwas konstruiert wird, was keine Krankheit oder medizinische Auffälligkeit darstellt, sondern schlicht den Normalfall. Es ist völlig okay, keinen Sex zu haben, wenn einem nicht danach ist.

Als normal angestellte Arbeitnehmerin mit festen Arbeitszeiten und ohne eigenes Auto sind meine Möglichkeiten, während der Woche auf den Golfplatz zu kommen, ausgesprochen begrenzt. Genaugenommen beschränkt es sich auf den Freitag Nachmittag bzw. frühen Abend, denn freitags habe ich früher Schluss. Wenn ich dann gleich nach der Arbeit mit dem Rad zu meinen Eltern fahre, kann ich da staffelstabübergabeartig das Auto von meiner Ma in Empfang nehmen, die dann gerade von ihrer wöchentlichen Seniorinnen-Runde zurückkommt. Und weil meine Mama ein lieber und gütiger Mensch ist und ihr Kind nicht Hunger leiden sehen kann, hat die dann immer auch Brötchen für mich, so dass ich danach gestärkt zum Platz fahren kann. Mein Vater sitzt dann meistens noch mit seinen Golfkumpels auf der Clubhaus-Terrasse. Die Senioren starten nämlich freitags nach den Seniorinnen. Außerdem haben die in der Regel mehr Sitzfleisch, was vielleicht auch daran liegt, dass sich da gerne mal spontane Skat oder Doppelkopf-Runden bilden. Wenn ich dann ankomme, ist das für meinen Dad dann sozusagen das Zeichen, jetzt auch langsam Richtung Heimat aufzubrechen. So ist neuerdings eigentlich Freitags von morgens 9 bis abends um 8 immer irgendwer aus dem Jordans-Clan auf dem Golfplatz. Im Gegensatz zum Sonntag, da gibt es uns in der Regel geballt im Dreierpack, dafür dann aber entsprechend kürzer.

Letzten Freitag war ich allerdings irgendwie so gar nicht motiviert, das wöchentliche Familien-Golf-Staffel-Ritual mitzumachen. Zum einen drohte das Wetter die ganze Zeit mit Hagelschauern, Blitzschlag, Tornados und anderen Unbillen, zum anderen steckte mir auch vielleicht dieses vermaledeite After-Work-Turnier der Vorwoche noch in den Knochen oder vielmehr den Gehirnwindungen. Aber nachdem ich mich mit dem obligatorischen Brötchen gestärkt hatte und das Wetter sich immer noch nicht entscheiden konnte, ob es denn jetzt die Apokalypse einläuten wollte oder nicht, bin ich dann doch gefahren. Nicht bedacht hatte ich, dass das Jugendtraining jetzt, da die Ferien vorbei sind, wieder eine Stunde später stattfand. Es wuselte also ein bisschen auf dem Übungsgrün, als ich ankam. War aber nicht so schlimm, weil die Bande kurz darauf vom Pro eingesammelt und zur Driving-Range abgeführt wurde. Ich konnte mich also erstmal ungestört auf Putting- und Pitchinggrün verbreiten. Na ja, halbwegs ungestört. Meine Pitching-Freude wurde getrübt, als ein Herr (ohne auch nur zu fragen oder sonst irgendwie Rücksicht zu zeigen) begann, seitlich von mir Bunkerschläge zu üben und mir dauern irgendwelche sandigen Bälle um die Ohren schlug. Fand ich ein bisschen blöd, schließlich war ich zuerst da gewesen. Und es ist durchaus möglich, auch mit mehreren Leuten gleichzeitig auf unserem Pitching-Grün zu üben. Aber eben nur, wenn man sich da ein bisschen geschickt aufteilt und timed, wann man seine Bälle wieder einsammelt und so. Gestaltete sich in diesem Falle aber etwas schwierig.

Der vordere Teil der Driving-Range, der nicht von den Kindern belegt war, war auch ziemlich voll. Ich war ganz erstaunt ob soviel plötzlichem Übungswillen und fragte mich, ob die wohl alle trotz des drohenden Wetters vielleicht noch auf den Platz wollten. Stellte sich aber heraus, dass die meisten von denen nur die wartenden Eltern von den trainierenden Kids waren, die, um sich die Wartezeit zu verkürzen, auch noch ein paar Bälle schlugen. Und kaum schlug die Uhr sechs tat es einen „Rumms“ und wie ein Spuk waren sie alle verschwunden. Das war fast schon unheimlich.

Ich habe dann brav meine drei Körbchen Übungsbälle geschlagen: eines für die Eisen, eines für die Hybride (die ich im Moment übrigens ums Verrecken nicht gescheit in die Luft kriege, wo die doch angeblich so viel leichter zu schlagen sind) und eines für Holz5 und Driver. Die Eisen liefen super, der Rest war so lala.

Und dann hatte das Unwetter endgültig beschlossen, für den Tag Feierabend zu machen und lieber irgendwo ein Bier trinken zu gehen (oder was drohende Unwetter so tun, wenn sie dienstfrei haben) und die Sonne kam hervor. Da habe ich dann kurzerhand beschlossen, statt auf den Kurzplatz, der jetzt in meiner Trainingsroutine mal wieder dran gewesen wäre, doch lieber noch für ein paar Löcher auf den großen Platz zu gehen. Und das war großartig.

Nicht nur, dass ich ziemlich alleine auf weiter Flur war (eine Bahn vor mir war ein Pärchen unterwegs, dass ich aber nie eingeholt habe und zwei oder drei Löcher nach mir kamen dann erst die nächsten), es war auch die bei Weitem beste und entspannteste Runde Golf, die ich je gespielt habe. Laut Score habe ich zwar auch diesmal auf den ersten neuen Loch nur 16 Stablefordpunkte erspielt und habe mein Handicap damit nicht ganz erreicht, aber angefühlt hat es sich viel besser. Der Grund waren wohl vor allem die vielen wunderschönen Eisenschläge. Egal ob Eisen 9, Eisen 7 oder sogar das lange Eisen 5, das ich erst seit letztem Sonntag überhaupt im Bag habe: sie flogen alle. Hoch! Weit! Und sogar geradeaus. Meistens jedenfalls. Ich hatte echt das Gefühl, ich spiele Golf! (Der kürzeste Golfwitz aller Zeiten: „Ich kann’s!“)

Am Abschlag zur 4 saß unser Bälleverkäufer. Das ist ein junger Mann mit wie auch immer geartetem „Migrationshintergrund“, wie das auf Neudeutsch so schön heißt, ob Flüchtling oder sonstwie zugewanderter weiß ich nicht. Jedenfalls hat der vor einigen Wochen angefangen, die Bälle rund um den Golfplatz aufzusammeln, die minderbegabte Golfer so in der Landschaft verteilen. Am Anfang hat er echt nur vor dem Aus-Zaun gesucht und stand dann ganz verschüchtert an der Ecke, mit ein paar Bällen in seinem zusammengerafften T-Shirt. Feste Preise hatte er nicht, jeder zahlte, was er für den Fundschatz für angemessen hielt. Und eigentlich alle, mit denen ich auf den Runden unterwegs war und mit denen ich sonstwie drüber gesprochen habe, fanden das großartig („Der tut wenigstens was“) und unterstützenswert. Insofern hat er immer einen ganz guten Preis für seine Bälle bekommen, glaube ich. Inzwischen hat er sein Kleinst-Unternehmen ausgebaut, ist mit Fahrrad und Anhänger unterwegs und traut sich jetzt in stillen Stunden auch auf den Platz, um dort in Gebüschen und Uferböschungen nach Bällen zu suchen. Vor allem nach Turnieren und Schön-Wetter-Sonntagen lohnt sich das. Neulich hatte er sogar schon einen Kollegen dabei und angeblich wurde er jetzt auch schon im Golfclub Wildenrath gesehen. Ich hab mich jedenfalls gefreut, ihn zu sehen, hatte aber gerade gar keinen Bedarf an Bällen. Als er jedoch sah, dass ich einen rosafarbenen Callaway Solaire abschlug, kam er kurz darauf mit zwei ebenfalls rosafarbenen Pinnacle Pink Ribbon Bällen an und bestand darauf, sie mir zu schenken. Ich fand das total süß und habe vor lauter Aufregung dann gleich meinen Callaway ins Aus gesemmelt. Macht nichts. Ich weiß ja jetzt, dass er gefunden und einem guten Zweck zugeführt wird. Dass der gedroppte Ersatzball dann allerdings mit dem nächsten Schlag ins Wasserhindernis ging, das hätte nicht sein müssen.

Nachdem die Wolken sich verzogen hatten, war es wirklich ein wunderschöner Abend mit schon recht langen Schatten und wunderschönem roten Abendlicht. Als ich um ca. acht Uhr die ersten neun Loch beendet hatte, hätte ich am liebsten noch weiter gespielt. Aber da ich wusste, dass ich ja noch mit dem Fahrrad nach Hause musste und so langsam auch das Brötchen verdaut war und mein Magen nach Nachschub verlangte, habe ich dann doch aufgehört.

Das restliche Wochenende war dann allerdings wirklich komplett verregnet, so dass unsere sonntägliche Nachmittagsrunde leider ausfallen musste. Zu böd. Ich hätte doch zu gerne getestet, ob das mit den Eisenschlägen jetzt eine Eintagsfliege war oder ob das immer noch funktioniert.

Tja, nachdem ich meine After-Work-Turnier Teilnahme hier angekündigt habe, muss ich jetzt wohl auch berichten, wie es gelaufen ist, was? Hätt ich mal nix gesagt.

Das mit der frühen Startzeit war dann im Nachhinein nicht so ein Problem, weil meine Ma mich dankbarerweise direkt von der Arbeit abgeholt hat, so dass ich tatsächlich vor dem Start noch ein paar Bälle schlagen konnte und trotzdem ganz entspannt am ersten Tee ankam. Und die Aufwärm-Schläge waren alle gut. Ich ging also nervös aber voller guter Erwartung und Vorfreude an den Start. Außerdem, so sagte ich mir, kann es ja schlimmer als bei meinem ersten Turnier auf gar keinen Fall werden. Dummerweise muss ich so rückblickend jetzt feststellen: Doch, das geht! Sogar deutlich.

Ich hatte zwei sehr nette Flightpartner, beide männlich, einer davon 12 Jahre alt und mit einem Handicap von 31,9 (inzwischen sogar 31,4, im Gegesatz zu mir hat der nämlich gut gespielt und wurde mit 19 Punkten Dritter). Sein erste Abschlag ging allerdings links ins Aus. Der andere schlug gleich zum Auftakt eine saubere „Ladie“ (für Nicht-Golfer, das ist ein Schlag, der nichtmal an dem weiter vorne stehenden Damenabschlag vorbei fliegt … wird meist mit einer Getränkerunde nach dem Spiel geahndet). Das tat mir zwar sehr leid für meine Mitbewerber, half mir aber ein bisschen, meine eigene Abschlags-Panik in Grenzen zu halten. Mein Drive war zwar auch etwas eirig, landete aber immerhin knapp auf dem Fairway.

Die ersten beiden Löcher kam ich auch noch halbwegs klar und erspielt insgesamt 3 Punkte. Und dann war es vorbei. Mein Golfschwung war weg, als wenn den jemand abgeschaltet hätte. Hätte ich die Bälle werfen dürfen, wären sie wahrscheinlich weiter geflogen (und ich werfe sprichwörtlich wie ein Mädchen). Das einzige, was gut funktioniert hat, und ich meine, wirklich gut, war das Putten. Echt. Ich habe Putts gelocht, bei denen wäre so mancher Tourspieler vor Neid erblasst. Das Problem war halt wieder einmal, dass ich bei vielen Löchern gar nicht erst bis zum Grün vorgedrungen bin, bevor meine Schläge aufgebraucht waren. Insgesamt 8 Punkte habe ich mir so zusammenkratzen können. Es war zum heulen.

Meine Ma, die im Flight nach mir gestartet ist, hat übrigens deutlich besser gespielt, konnte ihr Handicap aber auch nicht verbessern.

Als wir dem 12jährigen aus unserem Flight gratulierten und, nur halb im Scherz, sagten, dass er bestimmt mal Pro wird, wenn er weiter so gut spielt, meinte der: „Nee, ich werd kein Pro. Mein Freund wird Pro, der ist erst 11 und hat jetzt schon ein Handicap von 9“ Okay … weißte Bescheid. Ich muss den jungen Mann unbedingt kennenlernen, bevor der berühmt wird, damit ich später, wenn der dann auf der Tour spielt, lässig sagen kann: „Oh ja, kenn ich, war in meinem Heimatclub, hab ich auch schon mit gespielt“

Man sollte so einem blöden 9-Loch-Turnier, das nun wirklich keinen interessiert, der nicht selbst mitgespielt hat, ja nun keine allzu große Bedeutung beimessen. Aber ich muss zugeben, dass ich doch ziemlich deprimiert war, danach. Ich wusste den ganzen Samstag nichts Rechtes mit mir anzufangen und bin aus lauter Verzweiflung irgendwann joggen gegangen. Das erste Mal seit bestimmt 2 Jahren. Nur, um mir zu beweisen, dass ich das noch kann. Hat ganz gut geklappt, jedenfalls deutlich besser als Golf. 4 km in 30 Minuten, das ist zwar nicht schnell, aber für einen Kaltstart nach 2 Jahren Laufabstinenz durchaus akzeptabel. Fühlte sich auch ganz relaxt an. Bis irgendwann gestern nachmittag auf der Golfrunde der Muskelkater einsetzte. Auch heute bewege ich mich noch etwas unrund. Vor allem Aufstehen und Hinsetzen ist schmerzhaft. Interessanerweise merke ich nur die vorderen Oberschenkelmuskeln. War mir gar nicht klar, dass die beim Laufen so beansprucht werden (und vor allem so viel anders als beim Fahrradfahren, denn in dem Bereich bin ich ja dank täglichem Arbeitsweg ganz fitt). Egal. War trotzdem geil. Mach ich jetzt wieder öfter.

Ja, und Sonntag dann wieder eine normale Golfrunde, ganz ohne Turnierstress. Diesmal war es anders herum: Beim Einschlagen ging wirklich jeder Ball total in die Hose. Ich hatte schon gar keinen Bock mehr überhaupt an Tee 1 abzuschlagen. Bahn 1 habe ich dann auch erstmal gestrichen, an Bahn 2 wieder in den abgrundtiefen Bunker gespielt (und diesmal leider nicht ganz so sauber rausgekommen wie beim letzten Mal, aber immerhin noch 3 Punkte gerettet). Aber auf Bahn 3 konnte ich dann aufdrehen. Und danach lief es wirklich größtenteils gut. Ich habe mich bemüht, die Eisen immer nur mit gefühltem 3/4 Schwung zu spielen, und dadurch viel sauberer getroffen. Und das ist der Witz: obwohl man das Gefühl hat, viel weniger feste geschagen zu haben, fliegt der Ball dann weiter, als wenn man mit voller Wucht schlägt, aber dann eben fett oder nicht mittig trifft. Lohnt sich also. Insgesamt konnte ich 38 PUnkte erspielen, hätte mein Handicap also um 2 Schläge verbessert. Jetzt muss das nur noch irgendwann klappen, wenn es drauf ankommt.

Nachdem ich die letzten beiden Male ganz zufrieden damit war, was ich mir alleine und am Wochenende mit meinen Eltern so zurechtgespielt habe, habe ich mich diese Woche zum 9-Loch After-Work Turnier angemeldet. Die gibt es bei uns im Club immer am ersten Freitag im Monat. Ich habe schon einmal eines mitgespielt, aber darüber decken wir lieber für alle Zeiten den Mantel des Schweigens. (Meine beliebtesten Entschuldigungen für das Desaster sind „Hey, es war das allererste Mal“ und „Es war über 36° C“ … und immerhin habe ich mit Hängen und Würgen 12 Nettopunkte zusammengekratzt und hätte so doch glatt eine Platzreifeprüfung bestanden)

Diesmal spielt auch meine Mutter mit, was für mich praktisch ist, dann können wir zusammen mit ihrem Auto hinfahren. Ich hatte bei Anmeldung extra um einen späten Flight gebeten, weil ich bis 15.30 Uhr arbeiten muss, das Turnier aber schon um 16 Uhr anfängt. Jetzt kriegte ich gerade meine Tee-Time per SMS auf’s Handy. 16.30 Uhr! Das ist verdammt knapp und lässt mir nicht einmal Zeit, in Ruhe ein Brötchen zu essen bevor wir losfahren. Im Feierabendverkehr braucht man mindestens eine halbe Stunde zum Golfplatz und ich muss ja auch erst einmal mit dem Rad zu meinen Eltern. Bleibt nur zu hoffen, dass meine Ma nicht eine noch frühere Startzeit erwischt hat, sondern im Flight hinter mir ist.

An ordentliches Einschlagen ist so schon gar nicht mehr zu denken, und jeder, der schonmal mit mir gespielt hat, weiß, wie sehr mich das stresst. Echt, ich rotiere schon jetzt, wenn ich nur daran denke. Ich muss mindestens ein paar Putts gemacht haben, um zu gucken, wie die Grüns an dem Tag so rollen, und ein paar volle Schläge mit Eisen und Driver gemacht haben, sonst kann ich die ersten zwei bis drei Bahnen gleich streichen. Ich habe nämlich das Gefühl, dass mein Körper jede Woche aufs neue komplett vergisst, wie man so einen Golfball schlägt und ich das jedesmal von Grund auf neu lernen muss. Ich schlage auch jede Woche anders. Mal powerhooken die Bälle nach links (alle!), mal spiele ich einen konstanten Slice, mal Pushe ich und einmal im Schaltjahr, wenn Ostern und Weihnachten auf einen Dienstag fallen, fliegen die Bälle doch tatsächlich geradeaus. Ist aber nicht so schlimm, wenn ich mich vorher einschlagen kann. Denn dann weiß ich ja, was mein Fehlschlag des Tages ist und kann mich gleich entsprechend anders ausrichten. Das erspart mir Peinlichkeiten, und die Spieler auf dem Nachbarfairway haben so auch deutlich bessere Überlebenschancen.

Zumal ich ja inzwischen auch mit dem Driver auf den Ball dresche. Das habe ich noch gar nicht berichtet. Seit einigen Wochen habe ich einen Driver. Also, genaugenommen hatte ich schon vorher einen, aber den konnte ich nicht bedienen (zu lang, zu schwer, Schaft zu hart, irgendwie unhandlich das ganze Ding, obwohl es sich angeblich um einen Damenschläger handeln soll, ein ebay-Fehlkauf). Der Neue ist von der wenig vertrauenserweckenden Billigmarke Eagle-Golf und hat mich im Set mit drei anderen Schlägern sagenhafte 5,20 € plus Porto gekostet. Auch in der E-Bucht natürlich. Als ich diesen Driver das erste Mal in der Hand hatte, habe ich fast gelacht. Riesenkopf, superleicht … fühlt sich ein bisschen an wie ein Luftballon am Stiel. Entsprechend hatte ich auch keine allzu großen Erwartungen an das Ding. Aber ich muss sagen: läuft. Die Schlagfläche ist so riesig, dass man beim besten Willen nicht am Ball vorbeischlagen kann (eh … doch … natürlich kann man … man kann im Golf immer auch am Ball vorbeischlagen, ich beweise das wöchtenlich aufs neue, aber zumindest passiert es seltener, wenn der Schläger die Ausmaße einer Bratpfanne hat). Etwa 150 Meter weit kann ich die Bälle mit dem Ding schlagen, wenn ich gut treffe. Immer noch nicht LPGA-Tour-verdächtig, aber ca. 30 Meter weiter als meine guten Abschläge vorher mit den Hybriden.

Außerdem habe ich die letzten Male ein paarmal mein Holz 5 vom Fairway aus richtig gut getroffen (und einmal von 135 Metern aus aufs Grün geschlagen, tschakka!), ein Schlag, den ich vorher auch noch gar nicht beherrscht habe. Jetzt warte ich auf den Tag, wo das mal beides direkt hintereinander passiert, also ein 150 Meter Abschlag und ein sauberer zweiter Schlag mit dem Holz. Dann kann schon fast nichts mehr schiefgehen. Auch das ist gelogen, übrigens. Da kann immer noch eine Menge schiefgehen. Letzten Freitag gelang mir so ein sauberer 150 Meter Drive an Bahn 7, das ist ein langes Par 3. Ich lag im Vorgrün, allerdings noch bestimmt 20 Meter vor der Fahne, die auf dem MacKenzie-Grün auf der oberen Ebene lag. Deswegen wollte ich lieber chippen als putten, weil ich so lange bergauf-Putts eigentlich immer zu kurz lasse. Dummerweise hatte ich zwei Spieler hinter mir, die mich just an diesem Loch hatten durchspielen lassen und jetzt natürlich guckten, was ich so mache. Sowas macht mich immer nervös, und wenn ich nervös bin, klappt gar nichts mehr. Ich versemmele also den Chip, der mir von der Spitze des Schlägers in die Bunkerböschung springt. Jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen, zum Bag zurückzugehen und mir einen anderen Schläger zu holen, mein Sandwedge, vorzugsweise. Aber nee, ich wollte ja die Leute hinter mir nicht aufhalten. Also habe ich den Ball mit der 9 fein säuberlich von dem einen in den anderen Bunker geschlagen, von da dann wieder aufs Vorgrün (immer noch auf der unteren Ebene) und dann mit 4(!) Putts eingelocht zu einer 8. NACHDEM ICH MIT DEM ERSTEN SCHLAG QUASI SCHON AUF DEM GRÜN WAR!!!!! Golf ist so doof. Zumindest immer genau so doof wie sein Spieler. Wenn ich gleich geputtet hätte, selbst wenn der Putt viel zu kurz geblieben wäre, wäre ich mit Sicherheit eher da gewesen. Hätte hätte Fahrradkette … Golf ist eine Konjunktiv-Sportart.

Einschlagen gibt es also morgen wohl nicht. Das kann ja heiter werden. Ich werde berichten. Das Wetter wird auch ein bisschen unberechenbar, der deutsche Wetterdienst meldet leichte Gewitterneigung.

Letzten Sonntag gelang mir an Bahn 2 auf unserem Golfplatz das erste echte Par meiner zugegebenermaßen noch recht kurzen Golferkarriere. („Unechte“ Pars hatte ich schon ein paar auf unserem 6-Loch Kurzplatz gespielt, aber die zählen nicht wirklich). Bahn 2 ist ein für die Damen knapp 120 m langes Par 3. 120 m weit kann ich mit meinem 21° Hybrid ganz gut schlagen, wenn ich richtig treffe. Und Sonntag habe ich richtig getroffen. Was ich aber nicht bedacht hatte, war der Gegenwind. Der war nämlich ziemlich heftig. Und so blieb mein wunderschöner Abschlag leider ungefähr 10 m zu kurz. Das wäre ja normalerweise kein großes Ding. Aber dummerweise ist die Bahn 2 mit dem größten oder vielmehr tiefsten Bunker des gesamten Golfplatzes versehen. „Schmitz Grab“ lautet der unheilvolle Name dieses Monsters, oder, wie ich ihn bei mir immer nenne: „Chasm of Doom“ Ich frage mich immer noch, was der Golfplatzarchitekt mit dem Aushub aus diesem Loch eigentlich gemacht hat. Den korrespondierenden Berg habe ich noch nicht entdeckt. Vielleicht hat er die erhöhten Abschläge auf der 6 daraus gebaut. Oder das „klein Österreich“ auf der 13. Egal. Viel interessanter wäre noch die Frage, woher er das schwarze Loch hatte, das er irgendwo unter dem Sand vergraben haben muss, denn ich schwöre, dieser Bunker hat erhöhte Schwerkraft. Anders lässt sich die magische Anziehungskraft, die er auf Golfbälle ausübt, einfach nicht erklären. Und natürlich liegt dieses landschaftsarchitektonische Meisterwerk mitten vorm Grün. Genau an der tiefsten Stelle von Schmitz Grab landete also mein ansonsten wirklich wunderschöner Abschlag. Beim Einspielen hatte ich keinen einzigen Ball aus dem Bunker bekommen, übrigens. Mein Selbstbewusstsein, als ich mit meinem Sandwedge in den Abgrund hinabstieg, war somit nicht unbedingt das größte. Mitspielerin Angela, die ihren Abschlag ebenfalls in den Sand gesetzt hatte, entschied vernünftigerweise, seitlich heraus zu chippen, dorthin, wo die Bunkerkante nicht ganz so hoch ist. Ich überlegte kurz, es ihr gleichzutun, aber von meiner Position aus gab es eigentlich keine seitliche Kante, die leichter zu überwinden gewesen wäre. Und ganz rückwärts spielen wollte ich auch nicht. Ich ging also noch einmal ein paar Schritte zurück, um zumindeste erahnen zu können, in welcher Richtung die Fahne lag (aufs Grün gucken konnte ich nämlich von da unten nicht), drehte mein Schlägerblatt auf, um möglichst viel Loft zu generieren und erinnerte mich an den besten Bunkerspieltipp, den ich je in einem YouTube-Video gehört hatte. „Don’t decelerate!“ also auf Deutsch „Nicht verzögern“ Danke Andy Carter! Ich holte also aus, beschleunigte durch den Ball und schwupps! Die erstaunten Ausrufe meiner Mitspielerinnen bestätigten mir, dass mein Ball nicht nur aus dem Bunker geflogen war (was alleine schon eine beachtliche Leistung gewesen wäre), sondern tatsächlich auch noch dort gelandet war, wo er hin sollte, nämlich auf’s Grün, etwa einen Meter neben die Fahne. Viel schöner hätte das auch Tiger Woods nicht gekonnt (der hätte allerdings bei diesem Loch wahrscheinlich schon gleich mit dem Sandwedge abgeschlagen …). Ich weiß nicht einmal, was das größere Wunder war: dass ich so gut aus dem Bunker gekommen bin, oder dass ich danach den Putt aus lauter Trotteligkeit nicht vorbeigeschoben habe (das passiert mir nämlich sonst immer, wenn ich ein Loch ansonsten gut gespielt habe … ist Golf-Pschychologie. Putts bei denen es um nix geht kann man auch as 5 oder 10 Meter Entfernung lochen. Wichtige Putts schiebt man auch aus 50 cm noch gerne vorbei). Die restliche Runde war eher unspektakulär. Ich habe etliche Löcher gestrichen, einige andere ganz ordentlich gespielt. Vor allem die anderen beiden Par 3s liefen ganz gut. Wegen meiner bräuchte es auf dem Golfplatz eh keine Löcher von mehr als 150 m Länge zu geben. Ist doch pure Quälerei das. Oder wie wäre es mit Huckepack-Golf? Also jemand anders macht die langen Schläge und ich übernehme dann ab ca. 50 m vor dem Grün. Das könnte eine wunderbare win/win Beziehung werden. Mein kurzes Spiel ist ja ganz okay. Nur hinkommen muss ich.

Laut einer Pressemeldung konnte diese Woche erstmals seit 150 Jahren wieder ein Wolf in Baden-Württemberg nachgewiesen werden. Das ist toll. Ich freue mich, dass wir inzwischen wieder Wölfe in Deutschland haben. In einigen Bundesländern ja auch dauerhaft und inzwischen in kleinen Rudeln etabliert. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg gab es letztes Jahr sogar Wolfsnachwuchs.

Weniger schön ist allerdings, woher wir wissen, dass dieser eine Wolf in Baden-Württemberg unterwegs war. Er wurde nämlich auf der Autobahn überfahren und reiht sich somit in die Reihe tierischer Flüchtlings-Geschichten mit traurigem Ausgang. Weitere Beispiele wären: Bruno der Problembär … vom Jäger erschossen. Ein Gänsegeier auf den Ostfriesischen Inseln im letzten Sommer … der ist wohl schlicht an Erschöpfung gestorben. Ähnlich wie der Seelöwe, der letzten Sommer in der mecklenburgischen Seenplatte unterwegs war. Vor zwei Jahren wurde in Ostfriesland übrigens sogar ein Känguru überfahren … ich bezweifle allerdings, dass das den ganzen Weg von Australien aus zu Fuß gekommen ist.

Jedenfalls ist es sehr schade um den Wolf und bestärkt mich in meiner skeptischen Haltung gegenüber dem motorisierten Individualverkehr im Allgemeinen und dem deutschen Autowahn im Besonderen. Ich bleibe also autobefreit. Dafür werde ich mir wohl in den nächsten Tagen ein neues Fahrrad anschaffen müssen. Mein altes hatte ich gestern in die Werkstatt gegeben, weil unter Druck hin und wieder das Pedal slippt. Das Urteil des Mechanikers lautet auf wirtschaftlichen Totalschaden. Seiner Meinung nach braucht das Rad zwei komplett neue Laufräder (weil die Felgen so gut wie durchgebremst sind), neue Schalt- und Bremszüge (halte ich für überflüssig … die alten sind zwar etwas rostig, tun aber das, was ein Zug so tun soll: ziehen), neue Ritzel, neue Bremsen etc. pp. Okay, das Rad ist mindestens 15 Jahre alt und ich habe es wirklich viel gefahren, aber bis auf das slippende Pedal fand ich bis gestern eigentlich, dass es noch ganz gut funktioniert. Andererseits, wenn man sich schon kein Auto leistet und täglich mit dem Fahrrad unterwegs ist, seine Einkäufe darauf transportiert etc., dann darf man sich auch mal ein neues leisten. Die Frage ist nur, was mache ich dann mit dem alten? Platz für ein Zweitfahrrad im Keller habe ich nicht. Aber verschrotten fällt mir nach so vielen Jahren, die es mir treue Dienste geleistet hat, auch schwer. Vielleicht kann ich es ja irgendwo auswildern. Oder vielleicht gibt es in Mönchengladbach irgendeine Selbstmach-Werkstatt oder sowas, die es als Ersatzteillager adoptieren will. Mein neues Fahrrad wird jedenfalls eher in Richtung citybike gehen, irgendwas mit 7- oder 8-Gang Nabe (sollte für den Abteiberg reichen) und großem Gepäckträger. Nicht notwendigerweise cool und sexy, eher bequem und praktisch. Ich werde ja auch nicht jünger.

Eine weitere tierische Pressemeldung berichtete vor einigen Tagen übrigens über einen verwesten Tierkadaver, der in Sibirien angespült wurde. Der Witz an der Sache ist, dass keiner weiß, um was für ein Tier es sich gehandelt hat. Die Beschreibung ist: Sieht aus wie ein Delfin mit Fell. Spekulationen reichen von aufgetautem Mammut bis algenbewachsenem indischem Flußdelfin. Mein eigenes Urteil ist klar: es ist ein Vertreter der Spezies Cucumis villosus acetosus, auch saure Wollhaargurke genannt.

Ich bin ja, trotz meiner großen Schnauze, ein ziemlich vorsichtiger Mensch. Außerdem bin ich mehr Denkerin als Macherin. Immer schon gewesen. Während andere Kinder in meinem Alter schon längst Laufen, Treppen steigen, Fahrradfahren, Schwimmen etc. konnten, saß ich immer noch auf dem Fußboden, dem Treppenabsatz, dem Gepäckträger oder dem Beckenrand und dachte über die richtige Technik nach. Daran hat sich bis heute auch nicht so viel geändert. Ich möchte immer alles richtig machen und versuche deswegen, alle Ratschläge, die mir andere Leute so um den Kopf hauen, anzunehmen und umzusetzen. Auch beim Golf. „Du guckst zu früh“, „Nimm den Kopf nicht hoch“, „Tee weiter links auf“, „Tee höher auf“, „Hol nicht so schnell aus“, „Schlag nicht so feste … ganz locker“ etc. pp.

Das hat mir in den letzten zwei Wochen insgesamt viereinhalb ganz ganz schauerliche Runden eingebracht. Vor allem die Sache mit dem langsam Ausholen und nicht so feste schlagen. Ich war am Ende so fertig, dass ich ungefähr so dynamisch geschlagen habe wie eine Windmühle bei Flaute. Gestern packte mich dann irgendwo zwischen Loch 14 und 15 die Wut. Ich hatte seit zwei Wochen keinen langen Ball mehr getroffen. Ich hab echt schon hin und her überlegt, ob ich meine Schläger auf ebay lieber einzeln oder als Komplettsatz verscheuern soll (wobei „Komlettsatz“ bei meinen Schlägern eher ein Hohn ist, aber dazu ein anderes Mal mehr). Während ich mir also verstohlen ein paar Tränen der Scham und Verzweiflung aus den Augen wischte, nachdem ich wieder einmal nur die Luft und nicht den Ball getroffen hatte, legte sich in meinem Hirn ein Schalter um und ich tat das, was man (auch wieder laut vieler gut gemeinter Ratschläge) niemals machen soll: ich legte meine gesamte Wut und meinen Frust in meinen nächsten Schlag. Eisen 6. Scheiß auf die ganze langsame Ausholerei, Scheiß auf kurz und kontrolliert. Und was ist: Der Ball fliegt. Nicht unbedingt 100%ig geradeaus, aber endlich mal wieder 100 m weit und immer noch grob in Richtung Loch. Na also! Nehm ich.

So hab ich dann die Runde zuende gespielt: aggressiv, mit vollem Schwung, der endlich auch den Namen Schwung wieder verdient hatte, und mit freiem Kopf. Nach ein oder zwei weiteren Schlägen verbesserte sich dann auch meine Treffgenauigkeit wieder. Ich konnte die Schläge sehen, bevor ich sie ausgeführt habe, wusste, mit wie viel Karacho ich den Ball mit welchem Schläger schlagen musste und konnte auch einen wunderschönen kontrollierten Fade spielen, als ich ihn brauchte (der Draw auf der nächsten Bahn ging dann allerdings in die Hose oder vielmehr mangels Linkskurve in die Bäume, das üben wir noch 😉 ). Boah watt war ich froh. Golf mit fliegenden Bällen macht deutlich mehr Spaß als Golf mit liegenden oder nur widerwillig rollenden Bällen.

Was lernen wir daraus: zu vorsichtig ist auch nicht gut. Und statt auf andere einfach mal auf das eigene Gefühl hören. Denn sobald ich den ersten Bal getroffen habe, war mir auch klar, warum die 100 oder so davor alle in die Hose gegangen waren. Ich hatte mich vor lauter Kontrolle und Langsamkeit überhaupt nicht mehr gedreht, sondern nur noch aus den Armen nach dem Ball geschlagen. Und je mehr Schläge ich dadurch verhunzt habe, desto unsicherer wurde ich und habe versucht, immer noch kontrollierter zu schlagen, was genau der falsche Weg war. Deswegen breche ich an dieser Stelle hiermit mal eine Lanze für den Kontrollverlust und das Tier in mir.

Realistisch betrachtet muss ich natürlich zugeben, dass auch so ein total animalischer Abschlag von mir mit seinen vielleicht 120 m Distanz einschließlich Roll bei einem echten Golfer wohl eher ein „ach wie niedlich“ hervorruft. Ich erstarre immer in Ehrfurcht, wenn die mal so richtig auf den Ball dreschen oder Grüns direkt anspielen, die ich am Horizont kaum ausmachen kann. Aber ich habe ja auch nicht behauptet, ein großes starkes Tier zu sein. Egal was die Frühstücksflocken-Werbung uns suggerieren will: es steckt eben nicht in jedem ein Tiger. Macht nichts. Mir reicht es ja schon, wenn ich spiele wie eine Miezekatze statt wie ein verschrecktes Kaninchen. In diesem Sinne: Miau!

Also, seit ca. einem Jahr spiele ich ja Golf. Hab ich das eigentlich schonmal erwähnt? Egal. Wie man bei einem grundsätzlich relativ unsportlichen Menschen wie mir, der mit 43 Jahren plötzlich auf die Idee kommt, einen ziemlich komplexen Bewegungsablauf zu lernen, erwarten kann, klappt das nur so mäßig. Angeber unter den Golfern behaupten ja, der Golfschwung sei nach Stabhochsprung und dem rückwärts eingefädelten dreifachen Rittberger der drittschwierigste Bewegungsablauf überhaupt, was ich mal dezent in Frage stellen möchte, aber man kann auf jeden Fall sehr viel falsch machen. Im schlechtesten Fall trifft man den Ball gar nicht (der gefürchtete Luftschlag, der mir auf jeder Runde mindestens einmal passiert), oder man haut mit soviel Kraft in den Boden, dass der Ball zwar vor Schreck vom Tee springt, sich dann aber in nur wenigen Zentimetern Entfernung zitternd im tiefen Gras versteckt. (für Nichtgolfer: das Tee ist so ein kleiner Pin, auf dem man den Ball vor dem Abschlag aufbockt, damit man ihn besser treffen kann) Meistens passiert einem das, wenn die Mitspieler (beim Golf hat man immer Mitspieler, ob man will oder nicht) ihre Drives alle perfekt getroffen haben und ihre Bälle in gefühlt einem halben Kilometer Entfernung mittig auf dem Fairway liegen.

Da bleibt einem dann nur, die Zähne zusammen zu beißen, verkrampft zu lächeln und irgendetwas wie „Dann muss es eben der Zweite richten“ zu murmeln. Und dann packt man sich ein Eisen und hackt ein paarmal auf den Ball ein, bis der dann endlich nach drei oder vier Schlägen da ist, wo die Mitspieler schon direkt nach dem Abschlag waren: auf dem Fairway. Das Fairway ist der relativ kurz gemähte Bereich in dem man den Ball gut sehen und (zumindest theoretisch) auch gut weiterschlagen kann. Sozusagen die Autobahn zum Grün (dem noch viel kürzer gemähten Bereich zu dem alle hin wollen und wo irgendwo das viel zu kleine Loch ist). Jetzt fand ich ja Autobahn fahren immer schon blöd und nehme in der Regel lieber die Landstraße. Da sieht man mehr von der Landschaft.

Deswegen schlage ich also mit meinem nächsten Schlag nicht etwa gerade auf die Fahne zu, sondern biege scharf wahlweise nach rechts in die dichten Bäume oder nach links in den Teich ab. Dafür gelingt mir diesmal aber ein extra weiter Schlag. Den braucht man auch, denn so ein Fairway ist ja recht breit. Man muss sich schon ein bisschen anstrengen, um so weit in die ungezähmte Natur einzudringen, wie ich das gewöhnlich tue. Dafür habe ich jetzt die perfekte Ausrede, wenn die nächsten paar Schläge daneben gehen, denn aus dem hohen Rough kann keiner gescheit spielen. Während meine Mitspieler also ihre Bälle mit dem zweiten oder dritten Schlag sanft auf dem Grün landen, hebe ich meinen Ball kurze Zeit später zerkratzt, zerzaust und erschöpt auf und rufe ihnen zu, dass ich dieses Loch streiche, weil ich nach zehn Schlägen sowieso keine Punkte mehr kriege.

Am nächsten Abschlag wiederholt sich das ganze, nur, dass ich mir diesmal den Umweg über das Fairway spare und gleich in den Wald bolze. Man könnte Golfplätze bestimmt viel billiger bauen, wenn man die teuren und aufwendig zu pflegenden Fairways einfach wegließe. Die trifft doch eh keiner. Okay, das ist gelogen. Aber an diesem Loch bräuchten wir das Fairway wirklich nicht, denn meine Mitspieler landen am Par 3 alle mit dem ersten Schlag auf dem Grün, während ich mich ja wieder für die landschaftlich schöne Strecke entschieden habe. Sie stehen geduldig, wenn auch etwas mitleidig lächelnd neben ihren Golfbags und sehen mir zu, wie ich mich mit kurzen Schlägen am Waldrand entlang kämpfe, bis eine freundliche alte Eiche ein Einsehen hat und meinen Ball geradewegs in den Bunker vor dem Grün spuckt. Ich bin hin und her gerissen zwischen der Freude, dem Grün diesmal doch so nahe gekommen zu sein und der Angst, im Treibsand zu versinken, während ich drei bis fünf Mal mit meinem Sandwedge auf den Ball einschlage und ihn so immer noch tiefer in den weichen Boden eingrabe. „Ich heb auf“, lenke ich schließlich ein. Zwei Löcher, zwei Streicher. Aber hey: ich hab ja noch 16 Versuche.

Am nächsten Abschlag nehme ich mir vor, diesmal auch wirklich alles richtig zu machen. Wahrscheinlich habe ich mich die anderen Male einfach nicht genug konzentriert. Ich teee (mit wievielen e schreibt man denn das?) vorschriftsmäßig auf, überprüfe meinen Griff und meinen Stand, achte beim Ausholen darauf, das mein Schlägerende zum Ziel zeigt, wenn er parallel zum Boden ist und dass ich das Schlägerende sehen kann wenn er senkrecht ist. Ich verlagere beim Abschwung mein Gewicht nach links, gebe mir größte Mühe, die Schlägerebene zu halten und die Handgelenke nicht zu früh zurückzuklappen und arbeite mental noch fünfundsechzig andere Punkte mehr ab, die ich irgendwann mal gelernt habe. Mein Schlägerkopf schlägt ein Divot von der Größe Nordtexas aus dem Boden, das weiter fliegt als der Ball, der höhnisch einige Meter vor meinen Füßen ausrollt. Was habe ich denn jetzt wieder falsch gemacht?

„Ich glaube, den hat du ein bisschen fett getroffen“, hilft mir ein freundlicher Mitspieler bei der Fehleranalyse. Nee? Echt? Da wäre ich jetzt nie drauf gekommen. Aber ich denke mir: Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen. Und ich lächele und bin froh. Und es kommt schlimmer. Ich erspare euch jetzt die Details der nächsten zweieinhalb Stunden oder so. Jedenfalls bin ich spätestens bei Loch 5 überzeugt, dass Golf der absolut bescheuertste Sport ist, den sich je ein Mensch ausgedacht hat. Genaugenommen ist es gar kein Sport, sondern eine Foltermethode. Und auch bestimmt nicht menschlichen Ursprungs, sondern von übelmeinenden Aliens erfunden, um die Menschheit um den Verstand zu bringen, damit sie es dann bei der Eroberung der Erde leichter haben. Oder so ähnlich.

Ich könnte jetzt irgendwo im Biergarten sitzen und entspannt einen Erdbeereisbecher löffeln. Oder Kanufahren. Oder von mir aus Fallschirmspringen. Oder einfach nur zu Hause auf der Couch sitzen und gemütlich einen Film angucken. Aber nein, ich bin hier, auf diesem beschissenen Golfplatz, wo sogar die Vögel in den Büschen über mich spotten. An Bahn 9 habe ich sogar ein Kaninchen über mich lachen sehen. Ich schwörs!

Und dann, auf Bahn 17, während ich dabei bin, gedanklich das Kündigungsschreiben für den Golfclub zu formulieren, passiert es. Ich treffe den Ball am Abschlag perfekt, er hebt in einer unbeschreiblich schönen ballistischen Kurve ab und während das melodische „Kaweng“ des Treffgeräuschs in meinen Ohren nachhallt, sehe ich, wie er kurz hinter der Grünkante aufschlägt, ausrollt und zwei Meter neben der Fahne zur Ruhe kommt. Meine Mitspieler staunen andächtig, sagen ausnahemsweise mal nix und schlagen sich dann seitlich in die Büsche, um nach ihren Bällen zu suchen. Diesmal haben sie die Autobahnauffahrt verpasst. Ich biete mich freundlich an, bei der Ballsuche zu helfen. Ich habe ja erstmal nicht viel zu tun, bis sie sich mit kurzen Schlägen zum Grün gehackt haben. Während ich das Fairway herunterschlendere, lausche ich dem wundervollen Gesang der Vögel und freue mich an einem Kaninchen, dass eifrig seines Weges hoppelt. Am Grün angekommen bücke ich mich und bessere meien Pitchmarke aus, über das ganze Gesicht grinsend.

Wen stört es schon, dass ich danach fünf (FÜNF!!!!) Putts brauche, oder dass einer meiner waldlaufenden Mitspieler trotzdem noch ein Par spielt. Ist mir doch egal, dass ich an Loch 18 schon wieder komplette Grütze spiele. Ich habe eine Pitchmarke gemacht! Eine Pitchmarke! Das ist besser als Kanufahren oder Fallschirmspringen. Ja, sogar besser als Erdbeereis.

Das ist das wahre Geheimnis des Golfsports. Egal, wie schlecht man gespielt hat, egal, was am Ende auf der Scorekarte steht, egal, wie oft man Wasserhindernis, Bunker oder Aus getroffen hat, wie viele Bälle man verloren hat und wie viel besser die Mitspieler spielen. Ein einziger gut getroffener Schlag reicht aus, um das alles vergessen zu lassen und genug Endorphine auszuschütten um einen nicht nur über die Runde sondern durch die ganze Woche zu bringen. Und das muss kein hole-in-one sein. Da reicht schon ein sauber getroffenes Grün, ein gelungener Schlag aus dem Bunker, ein langer Putt, der es gerade so über die Lochkante schafft, ein wirklich guter Drive oder ein fast eingelochter Chip, bei dem der Ball von der Fahne abprallt. Warum ist das so? Keine Ahnung. Aber dass das so ist, dass kann einem wahrscheinlich jeder Golfer auf diesem Planeten bestätigen. Es gibt aufregendere Freizeitbeschäftigungen, gesündere, geselligere, lustigere und mit Sicherheit billigere. Aber nirgendwo sonst kann einem ein so unbedeutetendes Ereignis wie ein einigermaßen sauber getroffener Ball ein solches Hochgefühl beschehren. Wahrscheinlich, weil es so selten passiert.

Seit einigen Wochen lebe ich wieder in meiner Heimatstadt Mönchengladbach … der Großstadt, die keiner kennt, der nicht von hier kommt. Also, den Namen kennen die meisten, schon alleine wegen der Borussia (ole ole wir ziehen in die Championsleague ole ole … eh sorry, wo war ich?). Aber schon bei der geographischen Lage setzt es dann bei den meisten aus. Mönchengladbach ist nämlich nicht, wie häufig fälschlicherweise behauptet, Ruhrgebiet. Wir gehören zum Rheinland, genaugenommen zum linken Niederrhein. Das ist wichtig, nicht nur, weil der Niederrhein eine schöne Landschaft ist (wenn man denn Kopfweiden im Nebel mag), sondern vor allem, weil Niederrheiner eben besonders offene und herzliche Menschen sind. Hier redet man miteinander, auch wenn man sich gar nicht kennt, zum Beispiel wenn man zusammen an der Bushaltestelle steht oder beim Bäcker wartet, bis man endlich dran ist. Über das Wetter, Tagespolitik oder darüber, dass die Tante (die man natürlich erst recht nicht kennt) ja jetzt wieder aus dem Krankenhaus raus ist. Ist ein bisschen wie auf dem Dorf, nur eben in der Großstadt. Ich habe das vermisst in den letzten 24 Jahren, in denen ich woanders gelebt habe.
Ein besonders herzliches Exemplar des gemeinen Gladbachers begegnete mir heute morgen auf dem Weg zur Arbeit. Ich fahre mit dem Fahrrad, wobei ich vor allem morgens auf dem Hinweg geradezu wahnwitzige Geschwindigkeiten erreiche, weil ich nämlich die ganze Strecke bergab rolle. Ja, der Niederrhein ist weniger flach als man das so meint, zumindest hier, Gladbach hat einen Berg. Genaugenommen ist der Berg wahrscheinlich der Grund, dass die Stadt hier überhaupt existiert … so von wegen Rundumblick und Verteidigung und so … das dachten sich wohl auch die namensgebenden Mönche, die hier vor über eintausend Jahren eine Abtei errichteten. Deswegen heißt der Berg Abteiberg und ist bis heute das innerste Zentrum der Stadt. Dieser Abteiberg ist zugegebenermaßen nicht so wahnsinnig hoch, ich schätze mal, von der Sohle bis zum … äh … „Gipfel“ sind es vielleicht 30 Meter oder so. Aber er ist überraschend steil. So steil, dass er auf der Südseite eigentlich nur über Treppen zu besteigen ist, aber auch die Straßen, die aus den anderen Himmelsrichtungen hochlaufen haben es in sich. Außerdem hat der Hügel insgesamt grob die Form einer Gaußschen Normalverteilung … zumindest fühlt es sich mit dem Fahrrad so an … erst noch ganz mäßig, dann ganz verflucht steil und oben läuft es dann wieder sanft aus. Der „ganz verflucht steil“ Teil ist abends nach der Arbeit eine echte Herausforderung, aber morgens macht die Strecke (von viel zu vielen roten Ampeln und rücksichtslosen Rechtsabbiegern mal abgesehen) verdammt viel Spaß.
Als ich also heute so den Berg hinuntersause, steigt vor mir besagter freundliche Gladbacher aus dem Bus und ruft mir zu (ich zitiere wörtlich): „Ey, ich muss dir einfach sagen: du hast einen total geilen Arsch“ Ich war zugegebenermaßen etwas konsterniert. Außerdem war ich viel zu schnell, um verbal etwas zu erwidern, bevor ich vorbeigerollt war. Ohne groß nachzudenken habe ich dann aber doch noch über die Schulter ein Daumen hoch Zeichen gegeben, denn das, wenn auch etwas fragwürdige Kompliment hat meine Laune echt gehoben. Ich habe immer noch gegrinst als ich an der Firma ankam.
Ist halt immer die Frage, ob frau sich von sowas belästigt oder bestätigt fühlen soll. Ich habe mich schon vor geraumer Zeit für letzteres entschieden (genaugenommen, seit mal ein Typ, der mir hinterhergeguckt hat, in irgendeinem Kaff auf Korsika einen Auffahrunfall verursacht hat … ich kam mir vor wie Salma Hayek in Desperado 😉 ) Macht einfach bessere Laune.

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