Ich überlege schon seit Tagen, ob ich jetzt was zu dieser unsäglichen Burkaverbotsdebatte schreiben soll. Hielt ich aber dann doch nicht für wichtig genug, irgendwie. Jetzt lese ich heute, dass angeblich in einer Umfrage 81 % der Befragten für ein Verbot von Vollverschleierung sind, und jetzt muss ich dann doch. Einfach weil das ganze so absurd und unlogisch ist.

Also, erstmal zur Begrifflichkeit: es geht nicht um Burkas. Ehrlich. Burkas kommen in Deutschland nicht vor, oder wenn, dann so selten, dass sich dafür weder die Aufregung noch ein Gesetz lohnt. Die Burka ist ein für westliche Augen wirklich sehr fremd und unwirklich anmutendes Kleidungsstück, das noch dazu durch das Burkagebot im Afghanistan der Talibanzeit politisch vorbelastet ist. Aber ich habe wirklich hier in Deutschland (und auch in anderen europäischen Ländern) bisher noch keine Burka in freier Wildbahn gesehen. Immer nur auf Fotos, und die waren dann in der Regel in Afghanistan aufgenommen. Liegt wahrscheinlich daran, dass die Burka repräsentiert, warum Flüchtlinge Afghanistan verlassen. Darum haben sie auch kein Interesse daran, die mitzunehmen.

Es geht also nicht um Burkas, sondern meistens um Niqabs, den meist schwarzen Vollschleier, der über einem ebenfalls schwarzen Ganzkörpergewand getragen wird, z.B. in Saudi Arabien. Flüchtlinge aus Saudi Arabien haben wir jetzt auch nicht so wahnwitzig viele, glaub ich. Dafür etliche Touristen oder Geschäftsreisende. (Über die freundschaftlichen Beziehungen mit Saudi Arabien kann man denken, wie man will … Fakt ist, die sind hier zu Besuch und haben in der Regel nicht vor, sich hier niederzulassen). Einigen geht es wohl auch ganz generell um jede Form von Kopftuch, völlig vergessend, dass der Gedanke, dass eine Frau ihr Haupt bedeckt, bei uns auch nicht so fremd ist. Eine Frau die heiratete, kam bei uns „unter die Haube“, was sich in vielen Volkstrachten und auch noch im Habit vieler christlcher Nonnen findet … das ist gar keine rein islamische Erfindung, und auch wenn ich froh bin, dass die Zeiten sich hier geänder haben, finde ich es erstaunlich, dass immer so getan wird, als sei gerade das Kopftuch so ein trennendes Element zwischen unseren Kulturen. Ist es, so rein historisch, nämlich gar nicht.

Häufig wird das Argument genannt, dass der Vollschleier ein Ausdruck der Unterdrückung der Frau in der muslimischen Welt sei. Das mag stimmen oder auch nicht. Aber selbst wenn das so ist: mit Verboten gegen Unterdrückung vorzugehen ist ungefähr so sinnvoll wie kämpfen für den Frieden oder poppen für die Jungfräulichkeit. Gehen wir mal davon aus, eine muslimische Frau in Deutschland trägt den Schleier wirklich nur, weil ihr Mann/Vater/Bruder darauf besteht. Was passiert jetzt, wenn das Tragen des Schleiers verboten sird? Richtig, sie kommt gar nicht mehr aus dem Haus, oder wenn, dann nur noch in Begleitung eines 18 jährigen Cousins ihres Mannes, der ein arroganter Kotzbrocken ist (um mal ganz polemisch ein paar Klischés zu bedienen). Gewonnen hat die Frau durch das Verbot also gar nichts. Im Gegenteil, ihre Freiheit und ihre Möglichkeit zur Integration ist noch stärker beschnitten als vorher, weil sie keinen Zugang zu Bildung, Kultur und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben mehr hat.

Der Weg zu Integration führt nicht über Zwänge und Verbote, sondern darüber, dass man das Fremde erst einmal zu sich einläd und ihm mit Respekt begegnet. Und wenn eine muslimisch Frau dann ihren Schleier irgendwann ablegen möchte, dann soll sie dafür auch gerne alle Unterstützung bekommen, die sie vielleicht braucht, um gegen den Willen ihrer Familie oder ihres Mannes zu agieren. Aber der Auslöser dafür muss doch bitte eine freiwillige Entscheidung der Frau sein, und kein Verbot. Eine Gesellschaft, die sagt: du darfst in der Öffentlichkeit kein Kopftuch/Hijab/Niqab/Burka was auch immer anziehen, finde ich genauso unerträglich, wie eine, die sagt, dass ich genau das tun muss.

So rein psychologisch ist ein solches Verbot auch schwachsinnig. Je mehr man das Anderssein betont, je mehr man Unterschiede macht zwischen „wir“ und „ihr“ und zwischen „richtig“ und „falsch“, desto mehr fördert man das Festhalten an einer religiösen/nationalen oder kulturellen Identität und die Bildung von Parallelgesellschaften. Nur in eine Gesellchaft, in der man das Gefühl hat, ehrlich willkommen zu sein, wie man ist, will man sich überhaupt integrieren. Ablehnung und Verbote können nur zu mehr Radikalisierung beitragen.

Lasst uns doch einfach ein bisschen neugierig sein auf die vielen verschiedenen Menschen, die da aus allen möglichen Ländern zu uns kommen. Ganz ehrlich, wenn ich durch die Stadt gehe, ich freue mich an dem lebhaften bunten Getümmel, an den vielen Sprachen und unterschiedlchen Kleidungsstilen, die ich da zu sehen bekomme.