Wenn mich ein Mann nach meinem Job fragt, dann läuft das in der Regel so:
„Was machst du denn beruflich?“
„Ich bin Softwareentwicklerin.“
„Oh … „ Kurzes Schweigen, dann, mit verständnisvollem Unterton: „Webdesign? HTML und so?“
„Nein, Messtechnik. C++“
„Oh …“ Diesmal dauert das Schweigen länger und der Herr sieht sich eilig nach einer neuen Gesprächspartnerin um. Weltbilderschüttern für Anfänger.
Heute las ich im online Magazin der Süddeutschen Zeitung diesen interessanten Artikel über die sechs Frauen, die ENIAC, den ersten universell einsetzbaren Computer programmiert haben. Auch schon gut 100 Jahre früher, als Charles Babbage eine mechanische Rechenmaschine entwarf, war es eine Frau, nämlich Ada Lovelace, die die ersten Algorithmen dafür zu Papier brachte. (Ada war übrigens die einzige legitime Tochter von Lord Byron … ja, richtig, dem „mad, bad and dangerous to know“ Byron, aber das nur am Rande.) Auch der erste Compiler wurde von einer Frau geschrieben, nämlich von Grace Hopper.
Frauen haben in der Softwareentwicklung also wirklich grundlegende Pionierarbeit geleistet. Es scheint, als seien Computer ursprünglich von Männern gebaut, aber von Frauen programmiert worden. Wann und warum hat sich das geändert, warum werde ich heute angestarrt wie das Tier mit den zwei Köpfen und warum traut man Frauen in der Regel offenbar nur das Erstellen von hübschen Webseiten zu (wobei ich das als Leistung jetzt keinesfalls schmälern möchte, das ist eine Kunst für sich)?
Das ist keine Klage. Ich konnte schon immer ganz gut damit leben, Frau in einer Männerwelt zu sein. Ist ja irgendwie auch ein Alleinstellungsmerkmal und kann durchaus Vorteile haben. Es gibt Arbeitgeber, die ganz wild auf weibliche Angestellte in technischen Berufen sind. Und meine männlichen Kollegen kann ich in der Regel zügig überzeugen, dass ich schon weiß, was ich da tue. Ich frage mich nur, wann die allgemeine Wahrnehmung sich von „Programmieren ist Frauensache“ zu „Oh, eine Frau die mit Computern umgehen kann … das ist ja komisch“ geändert hat und was wohl der Grund dafür ist.
12 Kommentare
Comments feed for this article
21/01/2016 um 15:35
Tobias
Ich hab da mal ein bisschen gegooget. Und bin auf diesen Spiegel Artikel gestoßen: http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/frauen-in-der-it-die-ersten-programmierer-waren-weiblich-a-847609.html
Interessant finde ich:
„1987 waren in den USA 42 Prozent der Software-Entwickler weiblich.“ „… sind in deutschen Hightech-Unternehmen im Durchschnitt nur 15 Prozent der angestellten Fachkräfte Frauen. “
Da haben also die Männer extrem aufgeholt.
Meine Theorie ist jetzt, das Computerspiele schuld sein könnten. 1983 kam der C64 und 1985 der Amiga auf den Markt. Viele der Spiele hatten Jungen als Zielgruppe. Somit hatten viele Jungen Erfahrungen mit einem Computer und damit einen Vorsprung gegenüber den Mädchen. Vor den C64 und Amigas gab es Computer erst in der Uni oder am Arbeitsplatz und alle hatten die gleichen Startbedingungen.
Was hältst du von dieser zugegeben sehr gewagten Theorie?
21/01/2016 um 15:44
juttaj
Könnte sein. Ist auf jeden Fall eine interessante Theorie. Ich hatte damals auch einen C64 und ohne den wäre ich vielleicht nicht Softwareentwicklerin geworden. Aber war die Zielgruppe von PacMan, Pitfall und Co wirklich so klar männlich? Ist auch so ein bisschen ein Henne/Ei Problem. Warum waren Computer und Computerspiele da schon in erster Linie ein Jungs-Spielzeug, wenn doch noch 42 % der EntwicklerInnen weiblich waren?
22/01/2016 um 15:32
Tobias
> Aber war die Zielgruppe von PacMan, Pitfall und Co wirklich so klar männlich?
Ähhm, ehr nicht. Gutes Argument.
Was mich aber interessieren würde, hatten deine Freundinnen auch C64s? Und wie bist du zu deinem gekommen?
23/01/2016 um 18:08
juttaj
Meine beste Freundin (okay, eine von zwei besten Freundinnen zu der Zeit) hatte auch einen. Wir haben uns damals verschlüsselte Nachrichten geschickt, die wir mit einem selbst geschriebenen Entschlüsselungsprogramm lesen konnten und so. Und gezockt haben wir natürlich auch (auch mit der anderen Freundin zusammen, die hatte halt nur keinen eigenen Computer). Wie bin ich an meinen C64 gekommen? Hab ich mir gekauft, vom angesparten Taschengeld. Hat damals glaub ich so um die 600 DM gekostet. Der steht übrigens heute noch bei meinen Eltern im Schrank und funktioniert auch noch 🙂 Und wenn ich mich recht erinnere, hat Michaela ihren damals von ihrem Vater zu Weihnachten bekommen.
23/01/2016 um 17:47
Andreas
Du fragst, warum Du erstaunt angeguckt wirst – Ada Lovelace und Grace Hopper wurden bestimmt auch erstaunt angeschaut – wie wahrscheinlich auch alle komischen Leute, die in den 70ern was mit Computern zu tun hatten. Und insbesondere Ada Lovelace ist für eine Frau ihrer Zeit total aus der Art geschlagen.
23/01/2016 um 17:58
juttaj
Okay, mit Ada hast du wahrscheinlich recht, aber ich zumindest bei Grace Hopper und ihren Zeitgenossinnen war es vielleicht so, dass sie komisch angeguckt wurden, weil sie was mit Computern zu tun hatten, aber eben nicht, weil sie Frauen waren, die was mit Computern zu tun hatten. Das ist der Unterschied zu heute. Wäre ich ein Mann, würde ich nämlich heute nicht mehr komisch angeguckt, weil ich Computer programmiere.
23/01/2016 um 18:27
Andreas
Du hast Recht – wäre mal interessant, zu untersuchen, warum sich das Bild von einem ausgewogenen Verhältnis zu einer derartigen Männerdomäne entwickelt hat. Vielleicht liegt es daran, daß Computer(programmieren) Menschen mit einer Kommunikationsschwäche (sprich: Nerds) anzieht – und die sind eher männlich.
21/03/2016 um 08:36
Tobias
Ich bin gerade über diesen Text gestolpert:
http://www.nytimes.com/2016/03/20/upshot/as-women-take-over-a-male-dominated-field-the-pay-drops.html
Dort geht es darum, das wenn Frauen in einen vormals von Männern dominierten Beruf vordringen, der Lohn sinkt und anders herum.
Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob das eine Kausalität oder eine Korrelation ist.
Hier das passende Zitat für Programmierer:
„Computer programming, for instance, used to be a relatively menial role done by women. But when male programmers began to outnumber female ones, the job began paying more and gained prestige.“
23/04/2016 um 19:43
annikakramer
Hier in Schweden ist das übrigens sehr anders. Besonders lustig fand ich, dass Frauen insbesondere auch total beliebt sind, um die sogenannten „Heavy plants“ zu steuern, also die großen Maschinen, die man in den Erzgruben braucht. Frauen wären da besser, sagen sie…Nur eine Domäne gibt es, da sind die so unglaublich emanzipierten Schweden nicht anders als der Rest der Welt: Grillen! Das ist Männersache 😀
23/04/2016 um 19:52
juttaj
Irgendwie cool … also, nicht, dass ich jemals den Wunsch verspürt hätte, Baggerführerin zu werden, oder Dampfwalzen zu fahren oder so, aber ist schon interessant, wie unterschiedlich das wahrgenommen wird. Ich bin vor Jahren mal von einem LKW-Fahrer von Genua nach Münster mitgenommen worden, der hat mir erzählt, dass es nur relativ wenige weibliche deutsche Truckerinnen gibt, außer bei Tiefkühlkost. Konnte er auch nicht erklären, aber wenn Frauen LKW fuhren, dann hauptsächlich Kühlwagen.
Aber mal was ganz anderes … seit wann bist denn du in Schweden? Das ist ja irgendwie komplett an mir vorbeigegangen. Ich habe gerade gestern noch an dich gedacht, weil ich deine Handynummer aus meinem uralten Handy gelöscht habe, weil ich die Sim-Karte an meine Mutter weitergegeben habe, und da habe ich mich noch gefragt, was du wohl so machst.
23/04/2016 um 19:53
annikakramer
Was ich mache? Ich übe mich im Brotbacken, denn Brot können die Schweden nicht 😀 Seit Weihnachten bin ich hier, und gerade jetzt (bis Ende Juni noch) lerne ich schwedisch. Ensprechend gibts auch eine neue Telefonnummer 😉 Und Blog-Zugang leider nur auf Einladung, aus Gründen 😦 e-mail ist aber immer noch die alte.
30/06/2016 um 07:33
Tobias
Hier noch ein interessanter Artikel über Frauen in der IT:
http://blog.interviewing.io/we-built-voice-modulation-to-mask-gender-in-technical-interviews-heres-what-happened/