Als normal angestellte Arbeitnehmerin mit festen Arbeitszeiten und ohne eigenes Auto sind meine Möglichkeiten, während der Woche auf den Golfplatz zu kommen, ausgesprochen begrenzt. Genaugenommen beschränkt es sich auf den Freitag Nachmittag bzw. frühen Abend, denn freitags habe ich früher Schluss. Wenn ich dann gleich nach der Arbeit mit dem Rad zu meinen Eltern fahre, kann ich da staffelstabübergabeartig das Auto von meiner Ma in Empfang nehmen, die dann gerade von ihrer wöchentlichen Seniorinnen-Runde zurückkommt. Und weil meine Mama ein lieber und gütiger Mensch ist und ihr Kind nicht Hunger leiden sehen kann, hat die dann immer auch Brötchen für mich, so dass ich danach gestärkt zum Platz fahren kann. Mein Vater sitzt dann meistens noch mit seinen Golfkumpels auf der Clubhaus-Terrasse. Die Senioren starten nämlich freitags nach den Seniorinnen. Außerdem haben die in der Regel mehr Sitzfleisch, was vielleicht auch daran liegt, dass sich da gerne mal spontane Skat oder Doppelkopf-Runden bilden. Wenn ich dann ankomme, ist das für meinen Dad dann sozusagen das Zeichen, jetzt auch langsam Richtung Heimat aufzubrechen. So ist neuerdings eigentlich Freitags von morgens 9 bis abends um 8 immer irgendwer aus dem Jordans-Clan auf dem Golfplatz. Im Gegensatz zum Sonntag, da gibt es uns in der Regel geballt im Dreierpack, dafür dann aber entsprechend kürzer.
Letzten Freitag war ich allerdings irgendwie so gar nicht motiviert, das wöchentliche Familien-Golf-Staffel-Ritual mitzumachen. Zum einen drohte das Wetter die ganze Zeit mit Hagelschauern, Blitzschlag, Tornados und anderen Unbillen, zum anderen steckte mir auch vielleicht dieses vermaledeite After-Work-Turnier der Vorwoche noch in den Knochen oder vielmehr den Gehirnwindungen. Aber nachdem ich mich mit dem obligatorischen Brötchen gestärkt hatte und das Wetter sich immer noch nicht entscheiden konnte, ob es denn jetzt die Apokalypse einläuten wollte oder nicht, bin ich dann doch gefahren. Nicht bedacht hatte ich, dass das Jugendtraining jetzt, da die Ferien vorbei sind, wieder eine Stunde später stattfand. Es wuselte also ein bisschen auf dem Übungsgrün, als ich ankam. War aber nicht so schlimm, weil die Bande kurz darauf vom Pro eingesammelt und zur Driving-Range abgeführt wurde. Ich konnte mich also erstmal ungestört auf Putting- und Pitchinggrün verbreiten. Na ja, halbwegs ungestört. Meine Pitching-Freude wurde getrübt, als ein Herr (ohne auch nur zu fragen oder sonst irgendwie Rücksicht zu zeigen) begann, seitlich von mir Bunkerschläge zu üben und mir dauern irgendwelche sandigen Bälle um die Ohren schlug. Fand ich ein bisschen blöd, schließlich war ich zuerst da gewesen. Und es ist durchaus möglich, auch mit mehreren Leuten gleichzeitig auf unserem Pitching-Grün zu üben. Aber eben nur, wenn man sich da ein bisschen geschickt aufteilt und timed, wann man seine Bälle wieder einsammelt und so. Gestaltete sich in diesem Falle aber etwas schwierig.
Der vordere Teil der Driving-Range, der nicht von den Kindern belegt war, war auch ziemlich voll. Ich war ganz erstaunt ob soviel plötzlichem Übungswillen und fragte mich, ob die wohl alle trotz des drohenden Wetters vielleicht noch auf den Platz wollten. Stellte sich aber heraus, dass die meisten von denen nur die wartenden Eltern von den trainierenden Kids waren, die, um sich die Wartezeit zu verkürzen, auch noch ein paar Bälle schlugen. Und kaum schlug die Uhr sechs tat es einen „Rumms“ und wie ein Spuk waren sie alle verschwunden. Das war fast schon unheimlich.
Ich habe dann brav meine drei Körbchen Übungsbälle geschlagen: eines für die Eisen, eines für die Hybride (die ich im Moment übrigens ums Verrecken nicht gescheit in die Luft kriege, wo die doch angeblich so viel leichter zu schlagen sind) und eines für Holz5 und Driver. Die Eisen liefen super, der Rest war so lala.
Und dann hatte das Unwetter endgültig beschlossen, für den Tag Feierabend zu machen und lieber irgendwo ein Bier trinken zu gehen (oder was drohende Unwetter so tun, wenn sie dienstfrei haben) und die Sonne kam hervor. Da habe ich dann kurzerhand beschlossen, statt auf den Kurzplatz, der jetzt in meiner Trainingsroutine mal wieder dran gewesen wäre, doch lieber noch für ein paar Löcher auf den großen Platz zu gehen. Und das war großartig.
Nicht nur, dass ich ziemlich alleine auf weiter Flur war (eine Bahn vor mir war ein Pärchen unterwegs, dass ich aber nie eingeholt habe und zwei oder drei Löcher nach mir kamen dann erst die nächsten), es war auch die bei Weitem beste und entspannteste Runde Golf, die ich je gespielt habe. Laut Score habe ich zwar auch diesmal auf den ersten neuen Loch nur 16 Stablefordpunkte erspielt und habe mein Handicap damit nicht ganz erreicht, aber angefühlt hat es sich viel besser. Der Grund waren wohl vor allem die vielen wunderschönen Eisenschläge. Egal ob Eisen 9, Eisen 7 oder sogar das lange Eisen 5, das ich erst seit letztem Sonntag überhaupt im Bag habe: sie flogen alle. Hoch! Weit! Und sogar geradeaus. Meistens jedenfalls. Ich hatte echt das Gefühl, ich spiele Golf! (Der kürzeste Golfwitz aller Zeiten: „Ich kann’s!“)
Am Abschlag zur 4 saß unser Bälleverkäufer. Das ist ein junger Mann mit wie auch immer geartetem „Migrationshintergrund“, wie das auf Neudeutsch so schön heißt, ob Flüchtling oder sonstwie zugewanderter weiß ich nicht. Jedenfalls hat der vor einigen Wochen angefangen, die Bälle rund um den Golfplatz aufzusammeln, die minderbegabte Golfer so in der Landschaft verteilen. Am Anfang hat er echt nur vor dem Aus-Zaun gesucht und stand dann ganz verschüchtert an der Ecke, mit ein paar Bällen in seinem zusammengerafften T-Shirt. Feste Preise hatte er nicht, jeder zahlte, was er für den Fundschatz für angemessen hielt. Und eigentlich alle, mit denen ich auf den Runden unterwegs war und mit denen ich sonstwie drüber gesprochen habe, fanden das großartig („Der tut wenigstens was“) und unterstützenswert. Insofern hat er immer einen ganz guten Preis für seine Bälle bekommen, glaube ich. Inzwischen hat er sein Kleinst-Unternehmen ausgebaut, ist mit Fahrrad und Anhänger unterwegs und traut sich jetzt in stillen Stunden auch auf den Platz, um dort in Gebüschen und Uferböschungen nach Bällen zu suchen. Vor allem nach Turnieren und Schön-Wetter-Sonntagen lohnt sich das. Neulich hatte er sogar schon einen Kollegen dabei und angeblich wurde er jetzt auch schon im Golfclub Wildenrath gesehen. Ich hab mich jedenfalls gefreut, ihn zu sehen, hatte aber gerade gar keinen Bedarf an Bällen. Als er jedoch sah, dass ich einen rosafarbenen Callaway Solaire abschlug, kam er kurz darauf mit zwei ebenfalls rosafarbenen Pinnacle Pink Ribbon Bällen an und bestand darauf, sie mir zu schenken. Ich fand das total süß und habe vor lauter Aufregung dann gleich meinen Callaway ins Aus gesemmelt. Macht nichts. Ich weiß ja jetzt, dass er gefunden und einem guten Zweck zugeführt wird. Dass der gedroppte Ersatzball dann allerdings mit dem nächsten Schlag ins Wasserhindernis ging, das hätte nicht sein müssen.
Nachdem die Wolken sich verzogen hatten, war es wirklich ein wunderschöner Abend mit schon recht langen Schatten und wunderschönem roten Abendlicht. Als ich um ca. acht Uhr die ersten neun Loch beendet hatte, hätte ich am liebsten noch weiter gespielt. Aber da ich wusste, dass ich ja noch mit dem Fahrrad nach Hause musste und so langsam auch das Brötchen verdaut war und mein Magen nach Nachschub verlangte, habe ich dann doch aufgehört.
Das restliche Wochenende war dann allerdings wirklich komplett verregnet, so dass unsere sonntägliche Nachmittagsrunde leider ausfallen musste. Zu böd. Ich hätte doch zu gerne getestet, ob das mit den Eisenschlägen jetzt eine Eintagsfliege war oder ob das immer noch funktioniert.
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