Ich bin ja, trotz meiner großen Schnauze, ein ziemlich vorsichtiger Mensch. Außerdem bin ich mehr Denkerin als Macherin. Immer schon gewesen. Während andere Kinder in meinem Alter schon längst Laufen, Treppen steigen, Fahrradfahren, Schwimmen etc. konnten, saß ich immer noch auf dem Fußboden, dem Treppenabsatz, dem Gepäckträger oder dem Beckenrand und dachte über die richtige Technik nach. Daran hat sich bis heute auch nicht so viel geändert. Ich möchte immer alles richtig machen und versuche deswegen, alle Ratschläge, die mir andere Leute so um den Kopf hauen, anzunehmen und umzusetzen. Auch beim Golf. „Du guckst zu früh“, „Nimm den Kopf nicht hoch“, „Tee weiter links auf“, „Tee höher auf“, „Hol nicht so schnell aus“, „Schlag nicht so feste … ganz locker“ etc. pp.

Das hat mir in den letzten zwei Wochen insgesamt viereinhalb ganz ganz schauerliche Runden eingebracht. Vor allem die Sache mit dem langsam Ausholen und nicht so feste schlagen. Ich war am Ende so fertig, dass ich ungefähr so dynamisch geschlagen habe wie eine Windmühle bei Flaute. Gestern packte mich dann irgendwo zwischen Loch 14 und 15 die Wut. Ich hatte seit zwei Wochen keinen langen Ball mehr getroffen. Ich hab echt schon hin und her überlegt, ob ich meine Schläger auf ebay lieber einzeln oder als Komplettsatz verscheuern soll (wobei „Komlettsatz“ bei meinen Schlägern eher ein Hohn ist, aber dazu ein anderes Mal mehr). Während ich mir also verstohlen ein paar Tränen der Scham und Verzweiflung aus den Augen wischte, nachdem ich wieder einmal nur die Luft und nicht den Ball getroffen hatte, legte sich in meinem Hirn ein Schalter um und ich tat das, was man (auch wieder laut vieler gut gemeinter Ratschläge) niemals machen soll: ich legte meine gesamte Wut und meinen Frust in meinen nächsten Schlag. Eisen 6. Scheiß auf die ganze langsame Ausholerei, Scheiß auf kurz und kontrolliert. Und was ist: Der Ball fliegt. Nicht unbedingt 100%ig geradeaus, aber endlich mal wieder 100 m weit und immer noch grob in Richtung Loch. Na also! Nehm ich.

So hab ich dann die Runde zuende gespielt: aggressiv, mit vollem Schwung, der endlich auch den Namen Schwung wieder verdient hatte, und mit freiem Kopf. Nach ein oder zwei weiteren Schlägen verbesserte sich dann auch meine Treffgenauigkeit wieder. Ich konnte die Schläge sehen, bevor ich sie ausgeführt habe, wusste, mit wie viel Karacho ich den Ball mit welchem Schläger schlagen musste und konnte auch einen wunderschönen kontrollierten Fade spielen, als ich ihn brauchte (der Draw auf der nächsten Bahn ging dann allerdings in die Hose oder vielmehr mangels Linkskurve in die Bäume, das üben wir noch 😉 ). Boah watt war ich froh. Golf mit fliegenden Bällen macht deutlich mehr Spaß als Golf mit liegenden oder nur widerwillig rollenden Bällen.

Was lernen wir daraus: zu vorsichtig ist auch nicht gut. Und statt auf andere einfach mal auf das eigene Gefühl hören. Denn sobald ich den ersten Bal getroffen habe, war mir auch klar, warum die 100 oder so davor alle in die Hose gegangen waren. Ich hatte mich vor lauter Kontrolle und Langsamkeit überhaupt nicht mehr gedreht, sondern nur noch aus den Armen nach dem Ball geschlagen. Und je mehr Schläge ich dadurch verhunzt habe, desto unsicherer wurde ich und habe versucht, immer noch kontrollierter zu schlagen, was genau der falsche Weg war. Deswegen breche ich an dieser Stelle hiermit mal eine Lanze für den Kontrollverlust und das Tier in mir.

Realistisch betrachtet muss ich natürlich zugeben, dass auch so ein total animalischer Abschlag von mir mit seinen vielleicht 120 m Distanz einschließlich Roll bei einem echten Golfer wohl eher ein „ach wie niedlich“ hervorruft. Ich erstarre immer in Ehrfurcht, wenn die mal so richtig auf den Ball dreschen oder Grüns direkt anspielen, die ich am Horizont kaum ausmachen kann. Aber ich habe ja auch nicht behauptet, ein großes starkes Tier zu sein. Egal was die Frühstücksflocken-Werbung uns suggerieren will: es steckt eben nicht in jedem ein Tiger. Macht nichts. Mir reicht es ja schon, wenn ich spiele wie eine Miezekatze statt wie ein verschrecktes Kaninchen. In diesem Sinne: Miau!