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Also, seit ca. einem Jahr spiele ich ja Golf. Hab ich das eigentlich schonmal erwähnt? Egal. Wie man bei einem grundsätzlich relativ unsportlichen Menschen wie mir, der mit 43 Jahren plötzlich auf die Idee kommt, einen ziemlich komplexen Bewegungsablauf zu lernen, erwarten kann, klappt das nur so mäßig. Angeber unter den Golfern behaupten ja, der Golfschwung sei nach Stabhochsprung und dem rückwärts eingefädelten dreifachen Rittberger der drittschwierigste Bewegungsablauf überhaupt, was ich mal dezent in Frage stellen möchte, aber man kann auf jeden Fall sehr viel falsch machen. Im schlechtesten Fall trifft man den Ball gar nicht (der gefürchtete Luftschlag, der mir auf jeder Runde mindestens einmal passiert), oder man haut mit soviel Kraft in den Boden, dass der Ball zwar vor Schreck vom Tee springt, sich dann aber in nur wenigen Zentimetern Entfernung zitternd im tiefen Gras versteckt. (für Nichtgolfer: das Tee ist so ein kleiner Pin, auf dem man den Ball vor dem Abschlag aufbockt, damit man ihn besser treffen kann) Meistens passiert einem das, wenn die Mitspieler (beim Golf hat man immer Mitspieler, ob man will oder nicht) ihre Drives alle perfekt getroffen haben und ihre Bälle in gefühlt einem halben Kilometer Entfernung mittig auf dem Fairway liegen.

Da bleibt einem dann nur, die Zähne zusammen zu beißen, verkrampft zu lächeln und irgendetwas wie „Dann muss es eben der Zweite richten“ zu murmeln. Und dann packt man sich ein Eisen und hackt ein paarmal auf den Ball ein, bis der dann endlich nach drei oder vier Schlägen da ist, wo die Mitspieler schon direkt nach dem Abschlag waren: auf dem Fairway. Das Fairway ist der relativ kurz gemähte Bereich in dem man den Ball gut sehen und (zumindest theoretisch) auch gut weiterschlagen kann. Sozusagen die Autobahn zum Grün (dem noch viel kürzer gemähten Bereich zu dem alle hin wollen und wo irgendwo das viel zu kleine Loch ist). Jetzt fand ich ja Autobahn fahren immer schon blöd und nehme in der Regel lieber die Landstraße. Da sieht man mehr von der Landschaft.

Deswegen schlage ich also mit meinem nächsten Schlag nicht etwa gerade auf die Fahne zu, sondern biege scharf wahlweise nach rechts in die dichten Bäume oder nach links in den Teich ab. Dafür gelingt mir diesmal aber ein extra weiter Schlag. Den braucht man auch, denn so ein Fairway ist ja recht breit. Man muss sich schon ein bisschen anstrengen, um so weit in die ungezähmte Natur einzudringen, wie ich das gewöhnlich tue. Dafür habe ich jetzt die perfekte Ausrede, wenn die nächsten paar Schläge daneben gehen, denn aus dem hohen Rough kann keiner gescheit spielen. Während meine Mitspieler also ihre Bälle mit dem zweiten oder dritten Schlag sanft auf dem Grün landen, hebe ich meinen Ball kurze Zeit später zerkratzt, zerzaust und erschöpt auf und rufe ihnen zu, dass ich dieses Loch streiche, weil ich nach zehn Schlägen sowieso keine Punkte mehr kriege.

Am nächsten Abschlag wiederholt sich das ganze, nur, dass ich mir diesmal den Umweg über das Fairway spare und gleich in den Wald bolze. Man könnte Golfplätze bestimmt viel billiger bauen, wenn man die teuren und aufwendig zu pflegenden Fairways einfach wegließe. Die trifft doch eh keiner. Okay, das ist gelogen. Aber an diesem Loch bräuchten wir das Fairway wirklich nicht, denn meine Mitspieler landen am Par 3 alle mit dem ersten Schlag auf dem Grün, während ich mich ja wieder für die landschaftlich schöne Strecke entschieden habe. Sie stehen geduldig, wenn auch etwas mitleidig lächelnd neben ihren Golfbags und sehen mir zu, wie ich mich mit kurzen Schlägen am Waldrand entlang kämpfe, bis eine freundliche alte Eiche ein Einsehen hat und meinen Ball geradewegs in den Bunker vor dem Grün spuckt. Ich bin hin und her gerissen zwischen der Freude, dem Grün diesmal doch so nahe gekommen zu sein und der Angst, im Treibsand zu versinken, während ich drei bis fünf Mal mit meinem Sandwedge auf den Ball einschlage und ihn so immer noch tiefer in den weichen Boden eingrabe. „Ich heb auf“, lenke ich schließlich ein. Zwei Löcher, zwei Streicher. Aber hey: ich hab ja noch 16 Versuche.

Am nächsten Abschlag nehme ich mir vor, diesmal auch wirklich alles richtig zu machen. Wahrscheinlich habe ich mich die anderen Male einfach nicht genug konzentriert. Ich teee (mit wievielen e schreibt man denn das?) vorschriftsmäßig auf, überprüfe meinen Griff und meinen Stand, achte beim Ausholen darauf, das mein Schlägerende zum Ziel zeigt, wenn er parallel zum Boden ist und dass ich das Schlägerende sehen kann wenn er senkrecht ist. Ich verlagere beim Abschwung mein Gewicht nach links, gebe mir größte Mühe, die Schlägerebene zu halten und die Handgelenke nicht zu früh zurückzuklappen und arbeite mental noch fünfundsechzig andere Punkte mehr ab, die ich irgendwann mal gelernt habe. Mein Schlägerkopf schlägt ein Divot von der Größe Nordtexas aus dem Boden, das weiter fliegt als der Ball, der höhnisch einige Meter vor meinen Füßen ausrollt. Was habe ich denn jetzt wieder falsch gemacht?

„Ich glaube, den hat du ein bisschen fett getroffen“, hilft mir ein freundlicher Mitspieler bei der Fehleranalyse. Nee? Echt? Da wäre ich jetzt nie drauf gekommen. Aber ich denke mir: Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen. Und ich lächele und bin froh. Und es kommt schlimmer. Ich erspare euch jetzt die Details der nächsten zweieinhalb Stunden oder so. Jedenfalls bin ich spätestens bei Loch 5 überzeugt, dass Golf der absolut bescheuertste Sport ist, den sich je ein Mensch ausgedacht hat. Genaugenommen ist es gar kein Sport, sondern eine Foltermethode. Und auch bestimmt nicht menschlichen Ursprungs, sondern von übelmeinenden Aliens erfunden, um die Menschheit um den Verstand zu bringen, damit sie es dann bei der Eroberung der Erde leichter haben. Oder so ähnlich.

Ich könnte jetzt irgendwo im Biergarten sitzen und entspannt einen Erdbeereisbecher löffeln. Oder Kanufahren. Oder von mir aus Fallschirmspringen. Oder einfach nur zu Hause auf der Couch sitzen und gemütlich einen Film angucken. Aber nein, ich bin hier, auf diesem beschissenen Golfplatz, wo sogar die Vögel in den Büschen über mich spotten. An Bahn 9 habe ich sogar ein Kaninchen über mich lachen sehen. Ich schwörs!

Und dann, auf Bahn 17, während ich dabei bin, gedanklich das Kündigungsschreiben für den Golfclub zu formulieren, passiert es. Ich treffe den Ball am Abschlag perfekt, er hebt in einer unbeschreiblich schönen ballistischen Kurve ab und während das melodische „Kaweng“ des Treffgeräuschs in meinen Ohren nachhallt, sehe ich, wie er kurz hinter der Grünkante aufschlägt, ausrollt und zwei Meter neben der Fahne zur Ruhe kommt. Meine Mitspieler staunen andächtig, sagen ausnahemsweise mal nix und schlagen sich dann seitlich in die Büsche, um nach ihren Bällen zu suchen. Diesmal haben sie die Autobahnauffahrt verpasst. Ich biete mich freundlich an, bei der Ballsuche zu helfen. Ich habe ja erstmal nicht viel zu tun, bis sie sich mit kurzen Schlägen zum Grün gehackt haben. Während ich das Fairway herunterschlendere, lausche ich dem wundervollen Gesang der Vögel und freue mich an einem Kaninchen, dass eifrig seines Weges hoppelt. Am Grün angekommen bücke ich mich und bessere meien Pitchmarke aus, über das ganze Gesicht grinsend.

Wen stört es schon, dass ich danach fünf (FÜNF!!!!) Putts brauche, oder dass einer meiner waldlaufenden Mitspieler trotzdem noch ein Par spielt. Ist mir doch egal, dass ich an Loch 18 schon wieder komplette Grütze spiele. Ich habe eine Pitchmarke gemacht! Eine Pitchmarke! Das ist besser als Kanufahren oder Fallschirmspringen. Ja, sogar besser als Erdbeereis.

Das ist das wahre Geheimnis des Golfsports. Egal, wie schlecht man gespielt hat, egal, was am Ende auf der Scorekarte steht, egal, wie oft man Wasserhindernis, Bunker oder Aus getroffen hat, wie viele Bälle man verloren hat und wie viel besser die Mitspieler spielen. Ein einziger gut getroffener Schlag reicht aus, um das alles vergessen zu lassen und genug Endorphine auszuschütten um einen nicht nur über die Runde sondern durch die ganze Woche zu bringen. Und das muss kein hole-in-one sein. Da reicht schon ein sauber getroffenes Grün, ein gelungener Schlag aus dem Bunker, ein langer Putt, der es gerade so über die Lochkante schafft, ein wirklich guter Drive oder ein fast eingelochter Chip, bei dem der Ball von der Fahne abprallt. Warum ist das so? Keine Ahnung. Aber dass das so ist, dass kann einem wahrscheinlich jeder Golfer auf diesem Planeten bestätigen. Es gibt aufregendere Freizeitbeschäftigungen, gesündere, geselligere, lustigere und mit Sicherheit billigere. Aber nirgendwo sonst kann einem ein so unbedeutetendes Ereignis wie ein einigermaßen sauber getroffener Ball ein solches Hochgefühl beschehren. Wahrscheinlich, weil es so selten passiert.

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