Ich stecke mitten im Umzugschaos. „Wie?“ werden jetzt manche von euch denken, „wieso das und schon wieder?“ Ja, es ist wahr. Nach nur eineinhalb Jahren verlasse ich Esens schon wieder. Nicht etwa, weil es mir hier nicht mehr gefiele. Esens ist weiterhin ein entzückendes kleines Städtchen und Ostfriesland leidet zwar nach wie vor an eklatantem Berg- und Waldmangel, ist aber ansonsten durchaus nett. Ich gehe hier nicht weg, weil es mir hier nicht mehr gefällt, sondern weil ich ein Angebot bekommen habe, das ich nicht abschlagen kann. Also, eines von der freundlichen Sorte, meine ich.

Wer mein Blog schon länger verfolgt … also, viel länger, schon seit Zeiten, als ich noch auf Myblog gebloggt habe … der kann sich vielleicht noch erinnern, dass ich immer von der Proitzer Mühle geschwärmt habe, einem Seminarhaus im Wendland, wo ich immer mal wieder für Harfen- und sonstige Musik- und Tanzworkshops hingefahren bin. Die Mühle war für mich immer einer jener magischen Orte, wo ich mich runherum wohl gefühlt habe. Da stimmte einfach alles: die Landschaft, die Leute, das Haus, die Art von Veranstaltungen. Ich hatte mir sowieso fest vorgenommen, da dieses Jahr unbedingt mal wieder hinzufahren, wenn es sich mit meinem Arbeitsplan irgendwie vereinbaren ließe. Und als dann die Einladungsmail für den irischen Herbst kam, stand da, dass Heike, die die Mühle seit Kerstins plötzlichem Tod im letzten Sommer quasi alleine am Laufen hält, jemanden sucht, der oder die Lust hat, dauerhaft dort mit zu leben und zu arbeiten. Da konnte ich einfach nicht widerstehen. Zumal ich ja hier in Esens so jobmäßig eher so rumgekrepelt bin. Ich meine, der Verkäuferinnenjob hat zwar meistens Spaß gemacht, nicht zuletzt, weil ich wirklich nette Kolleginnen hatte, aber er hatte auch eine Menge Nachteile. Erstens warf er definitiv zu wenig Geld ab, um da dauerhaft gescheit von leben zu können, schonmal erst recht, weil es ja ein Saisonjob war. Zweitens hab ich mich nie an des lange Stehen gewöhnen können und fand den Job echt körperlich wahnsinnig anstrengend. Und drittens war ich ziemlich genervt davon, so viel am Wochenende und an den Feiertagen arbeiten zu müssen. Für irgendwelche Unternehmungen frei zu bekommen war immer ein Riesenakt, an richtige Urlaubsreisen schonmal überhaupt nicht zu denken. Das ist auf Dauer nicht das Richtige für mich. Und Alternativen sind hier in Ostfriesland echt rar.

Ich bin also nach ein paar Mails im August spontan für drei Tage zur Proitzer Mühle gefahren und Heike und ich waren uns recht schnell einig, dass das wohl passen könnte mit uns. Und dann hat sie mir bei einem Rundgang über das Gelände den renovierten Schafstall gezeigt. Das ist so ein Fachwerk-Hüttchen, etwa 3 x 4 Meter Grundfläche, ein Stück vom Haupthaus weg, zwischen Wald, Bach und Wiese. Und da hat es bei mir Klick gemacht. Das war mein Hexenhaus. Genau von so einer Hütte habe ich immer geträumt. So will ich leben, ganz einfach und klein, „off-grid“ wie der Amerikaner sagt, ohne Strom und fließend Wasser, und mitten in der Natur. Und trotzdem mit einem wunderbaren Job und Leuten in zu Fuß Reicheweite. Und, denn so ganz auf Komfort verzichten will ich ja auch nicht, der Möglichkeit, im Haupthaus meine Wäsche zu waschen, warm zu duschen und meinen internetfähigen PC aufzustellen.

Und ich kann endlich Ziegen halten. Dafür ist genug Platz und Weidefläche da. Und ich kann mir einen Kräutergarten anlegen. Ob ich auch wieder einen eigenen Gemüsegarten haben will, weiß ich noch gar nicht. Ich werde nämlich wahrscheinlich nur höchst selten selber kochen müssen, weil ich das wunderbare Mühlenessen mitesssen kann, wenn Gäste da sind. Und es sind fast immer Gäste da. Deswegen mache ich mir auch keine großen Gedanken darüber, am Arsch der Welt ohne Auto zu wohnen. Der nächste Laden ist 5 km entfernt in Schnega, mit dem Fahrrad ein Katzensprung. Mehr Einkaufsmöglichkeiten gibt es dann im 12 km entfernten Clenze. Auch das ist noch ganz gut mit dem Fahrrad zu schaffen, denke ich. Für alles, was weiter weg ist, gibt es den Zug ab Schnega. Und wenn alle Stricke reißen, kann ich mir bestimmt auch mal ein Auto ausleihen.

Inspiriert durch mein Hexenhäuschen, das wirklich recht klein ist, habe ich auf YouTube jede Menge Videos von Leuten gefunden, die in „tiny houses“ leben. Das ist eine Art moderner Zigeunerwagen, so die amerikanische Variante des Bauwagenlebens. Die Dinger sind echt niedlich. Vor allem beeindruckt mich aber, wie wenig Sachen die Bewohner so haben und wie ordentlich und übersichtlich ihre Häuschen dadurch sind. So hätte ich das auch gerne. Ich empfinde Besitz ja in den letzten Jahren zunehmend als Belastung und habe eigentlich die letzten Umzüge schon immer zum Anlass genommen, ordentlich auszumisten und vieles zurückzulassen. Aber obwohl ich gerne weniger Zeug hätte und auch weiß, dass ich nur relativ wenig wirklich brauche, fällt es mir wahnsinnig schwer, mich von Sachen zu trennnen. Ich schleppe eine Unmenge an Dingen mit mir rum, an der Erinnerungen hängen: alte Postkarten, Tagebücher, Dinge, die ich mal von lieben Leuten geschenkt bekommen habe, Reste vom Wehrspeicher, alte Rollenspiel-Charakterbögen etc. Jedes einzelne dieser Teile ist nicht groß und wiegt fast nichts, aber es braucht eben alles einen Platz, damit es nicht völlig im Chaos versinkt. Der zweite Grund, warum es mir schwer fällt, Sachen aufzugeben, ist, dass ich so ungern Dinge wegwerfe, die eigentlich noch gut sind und funktionieren, die aber auch niemand mehr so wirklich haben will. Ich schleppe z.B. schon seit Jahren so einen Organizer mit mir rum … so eine Art Smartphone ohne Phone und ohne Internetanschluss. Habe ich eigentlich nie wirklich benutzt, die Akku-Laufzeit war mir immer zu kurz um damit wirklich was anfangen zu können (und wenn der Akku leer ist, vergisst das Ding alle seine Daten, weil es nämlich keine Festplatte oder Flashspeicher hat). Ich habe auch eine riesige Sammlung an USB-Kabeln, Netzwerkkarten, Ladegeräten, Cinch-Kabeln und sonstigem Elektronik-Gadget Zubehör. Was sich halt im Laufe der Jahre so ansammelt und was man dann so verwahrt, weil man es ja irgendwann nochmal wieder brauchen könnte. Von den üblichen Büchern und CDs und Schallplatten und Musikcassetten etc. mal ganz abgesehen. Und es kostet mich im Moment total viel Energie und Zeit und Überwindung, das alles in die Hand zu nehmen und mich bei jedem Teil zu fragen: brauche ich das wirklich noch? Kann ich damit noch jemandem eine Freude machen oder schmeiße ich das gleich in die Tonne? Dazu kommt noch, dass man ja viele dieser Dinge nicht einmal mit gutem Gewissen einfach in den Hausmüll schmeißen kann, sondern strenggenommen zum Schadstoffmobil tragen muss.

So, jetzt gehe ich wieder Kisten packen. Ab Montag wohne ich dann in der Proitzer Mühle, erstmal nur mit leichtem Gepäck, meine Sachen hole ich irgendwann mit einem Bulli rüber. Deswegen bin ich auch erstmal auf unbestimmte Zeit ohne Rechner. Nur mein Netbook nehme ich mit, damit ich ab und zu meine Mails checken kann.