Ich hab den Postautoblues. Nein, das ist kein trauriges Lied über kleine gelbe Autos die Briefe bringen. Eigentlich wird es auch nicht Postauto-Blues ausgesprochen, sondern wohl eher Post-Auto-Blues. Seit letztem Montag bin ich jetzt nämlich wieder echt autofrei. Den Winter über hatte ich ja (mit einer kurzen Unterbrechung zwischen Weihnachten und Neujahr) für die Wege zur Arbeit einen kleinen Firmenwagen zur Verfügung. Benutzt habe ich den zu Anfang wirklich nur, wenn es gar nicht anders ging, also eigentlich nur für die Strecke nach Horumersiel, wenn ich da arbeiten musste. Da gibt es keinen öffentlichen Nahverkehr hin und für das Fahrrad waren die 35 km nun echt zu weit. Aber als der Winter dann so richtig zugeschlagen hat, erst mit Stürmen und dann auch mit Eis und Schnee, bin ich auch nach Neuharlingersiel eigentlich nur noch mit dem Auto gefahren. Und habe auf der Heimfahrt dann auch gleich noch den Familieneinkauf erledigt.

Und während ich die ersten paar Male noch supernervös war, weil ich ja ewig nicht Auto gefahren war, hatte ich am Ende richtig Spaß am fahren. Irgendwie ist es ja schon faszinierend, wie automatisch man so ein Auto bedient, wie es fast eine Verlängerung des eigenen Körpers wird und man völlig ohne Nachdenken schaltet, bremst, lenkt etc. Man wird ja quasi so ein Transformer-Wesen.

Autofahren ist eine Sucht, das ist ein Bild das von Autogegnern immer wieder gerne zitiert wird und das stimmt auch irgendwie. Tja, und ich hatte jetzt sozusagen als trockener Autoholiker ein paar Monate lang wieder ein Auto. Und jetzt ist es wieder weg. Am Mittwoch musste ich das erste Mal wieder mit dem Fahrrad nach Neuharlingersiel. Mittags war das noch ganz okay. Ich bin extra früh losgefahren, weil ich nicht wusste, wie fitt ich noch bin, hab dann aber dank Rückenwind nur knapp 25 Minuten gebraucht. Dafür hab ich s’e dann abends richtig auf den Sack gekriegt. Sturmböen bis 9 Bf patsch von vorne und mit viel Regen, der dann eben auch waagerecht von vorne kam. Ich musste zwischendurch zweimal absteigen und ein Stück schieben, weil ich echt nicht mehr konnte. Also, ich glaub schon, dass man gegen den Wind noch hätte fahren können, wenn man halbwegs im Training ist, aber ich hatte einfach an meinem ersten Wiedereinstiegstag und nach einem stressigen Laden-Arbeitstag die Kraft nicht. Und dann war auch noch die Batterie in meinem mp3 Player leer.

Irgendwo in Margens, das ist so bei 2/3 der Strecke, hab ich aus lauter Verzweiflung angefangen „99 bottles of beer“ zu singen (ich hätte auch einen Rosenkranz beten können, aber ich hatte mal wieder die dritte Zeile vom „Gegrüßet seist du Maria“ vergessen) und war dann bei 0 bottles auch tatsächlich genau zu Hause. Ich hab 50 Minuten gebraucht. Doppelt so lange wie am Mittag. Und hätte am liebsten spontan meine Chefin angerufen und gekündigt, weil ich mir absolut nicht vorstellen konnte, dass das jetzt wieder mein (fast) täglich Brot sein soll.

Die restlichen drei Tage, die ich in dieser Woche gearbeitet habe, waren dann allerdings viel besser, zwar immer noch mit reichlich Wind, aber auch mit Sonnenschein, fantastischen Sonnenuntergängen, blöden Fasanen, tausenden von Stockenten und Brandgänsen, Rehen, den ersten Frühlingsgerüchen und ganz viel Vogelgezwitscher. Da hab ich doch tatsächlich wieder Spaß an der Radfahrerei gekriegt. Und fühle mich schon fast wieder in der Lage, ehrlich zu sagen: Auto? Danke, brauch ich nicht.